Zwischenruf

von Superintendentin Luise Müller (Innsbruck)

Ich gebe es nicht gerne zu, aber das ist ein Satz der Bibel, mit dem ich mich Zeit meines Lebens schwer getan habe. Gut, dass Gott ruht, das mag ja noch angehen. Aber der Mensch, der sich möglicherweise an Gott ein Beispiel nimmt und auch mal von seinen Werken ausruht? Protestantische Arbeitsmoral, zumindest in meiner persönlichen Version, kommt mit dem Ruhen nicht so gut zurecht. Das Arbeiten liegt mir im Blut. Und zu tun gibt es ja immer etwas. Zumindest war es bisher in meinem Leben so. Eigentlich bin ich regelrecht aufgeblüht, wenn das Leben etwas von mir gefordert hat: Arbeitstage mit 14 Stunden, Termine, die einander jagten, Telefonate, E-Mails, da eine Krise und dort ein Problem. Da ein Statement und dort eine Predigt. Fokussiert und rücksichtslos habe ich mich hineingestürzt, habe getan, was mir vor die Füße kam. Schnell und hoffentlich kompetent. Alles zur Ehre Gottes. Wirklich?

So eine Arbeitseinstellung teile ich mit vielen. Immer gejagt, immer gefragt, und wenn nötig ein druckreifer Satz für die Medien. Das Handy ist immer eingeschaltet, die E-Mails werden laufend abgerufen. Menschen, die in irgendeiner ersten Reihe stehen, sehen sich weitgehend dazu verpflichtet: Politiker, Managerinnen, Leitende, auch Kirchenleitende. Aber auch in Familien, auf Bauernhöfen, ist selten einmal Feierabend. Die Verantwortung, die jemand hat, zwingt offensichtlich dazu, weiterzumachen, solange man kann. Auszeiten, Ruhe, Urlaub. Da haben viele nur ein ratloses Schulterzucken übrig. Oft ist das Leben eine Tretmühle mit unerträglichem Tempo. Und die Angst, Zeit zu verschwenden, ist groß.

Von dieser Angst scheint der Gott der Bibel nichts zu halten. Denn er steigt aus. Er setzt sich auf eine Bank und legt die Füße hoch, er legt sich in seinen Strandkorb und schaut den Möwen zu. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.
Ob es in der Krise Europas, in der Krise der Kirchen, in der Krise der Finanzen und wie die Krisen alle heißen mögen, eventuell auch gut wäre mal eine Ruhepause einzulegen? Den Menschen, die versuchen Lösungen zu suchen, einen Freiraum zu verschaffen? Nicht handeln, nicht einmal nachdenken, sondern ein Moratorium einlegen?

Angela Merkel und andere Staatsmänner und Frauen könnten ausgedehnt Urlauben, Bischöfinnen für mehrere Wochen auf einer Alm verschwinden, Wirtschaft Bosse und Primarii könnten ein Loch in die Luft stieren oder sich zum Angeln an einen einsamen See setzen.

Am Ende des 6.Tages, nachdem er alles erschaffen hatte, sagt Gott erst einmal: Siehe, es war sehr gut. Das ist der Blick aus dem Abstand, der zufriedene, genießerische, der Blick voller Lust und Liebe und Güte. Wo erlauben wir uns so einen Blick?

Siehe es war sehr gut. Das ist der Blick, den Gott auch für uns hat. Es ist ein liebenswürdiger Blick, ein heilender und ein heiligender. Gerade das, was wir in unseren vielfältigen Krisen brauchen. Gott hält uns seiner Liebe wert. Gott holt uns aus der Tretmühle und aus der Verantwortung, die uns auslaugt. Er blickt uns an und es wird hell. So angesehen kann ich´s erst einmal gut sein lassen. Mein Gott ist kein Sklaventreiber. Er ist nicht der, der ständig in meinem Nacken sitzt und mir einflüstert: du musst, du sollst.

Für mich entsteht daraus Versöhnung. Versöhnung mit mir und meinen Grenzen, Gelassenheit im Scheitern, Dankbarkeit für das, was möglich war, Hoffnung auf das, was noch möglich sein wird. Und daraus wird neue Lebenslust und neue Gotteslust. Und die neue Woche kann beginnen.

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