Ist der klassische Journalismus am Ende?

Medien in der Krise

Die klassischen Medien sind in der Krise. Schon länger, nicht erst seit die Wirtschaft wackelt. Dem Fernsehen laufen die jungen Zuseher weg, die Zeitungen leiden vor allem an den sinkenden Werbeeinnahmen. Der Qualitätsjournalismus scheint gefährdet.

Die USA zeigen uns vor, wo wir uns medial möglicherweise hin bewegen: Wie der jüngste US-Medien-Jahresbericht des Pew Research Centers zeigt, haben sich 2008 erstmals mehr Amerikaner online als in Print-Ausgaben informiert.

Ganz unschuldig sind die klassischen Medien an dieser Krise nicht. Das meint zumindest der amerikanische Star-Journalist und Filmemacher Danny Schechter. Er war vor kurzem beim EU-XXL-Filmfestival in Krems zu Gast:

"Viele Medien kämpfen derzeit verzweifelt um's Überleben", sagt Danny Schechter. In den USA wurde zum Beispiel erst kürzlich der Seattle Post-Intelligencer eingestellt - nach 146 Jahren. Statt mit 165 Leuten für die Printausgabe soll das Medium jetzt online erscheinen - mit 20 Mitarbeitern. Das Blatt aus Seattle ist nur eine von zig Zeitungen, die jüngst zusperren mussten.

Der Überlebenskampf hat begonnen

"Die klassischen Medien verlieren in jeder Hinsicht: sie verlieren Marktanteile, Einkommen - und vor allem Glaubwürdigkeit. Dazu hat zum Beispiel beigetragen, dass sie bei der Vorhersage der Wirtschaftskrise völlig versagt haben. Die meisten verloren sich in ständigen Jubelmeldungen, dass alles so gut läuft, obwohl das gar nicht stimmt. Das ist auch ein Grund, warum der Journalismus in großen Schwierigkeiten steckt“, meint Schechter.

Danny Schechter - früher Starreporter bei CNN - versucht schon eine Zeitlang gegen den Strom zu schwimmen. Er hat lange, bevor die faulen Kredite öffentlich wurden, auf das wankende Finanzspekulationsgebäude hingewiesen - mit dem Film "In Debt We Trust", frei übersetzt: Wir glauben an die Verschuldung. Aber da er sich darin nicht euphorisch über die Aktienwelt äußerte, hatte er große Schwierigkeiten, überhaupt einen Verleih zu finden.

Medienbusiness hat sehr an Niveau verloren

"Viele Leute in der Medienindustrie haben den Kontakt zu den Bürgern verloren. Sie predigen von der Kanzel herunter. Ich glaube, dass das die Öffentlichkeit nicht mehr will. Sie möchte teilhaben, darum haben auch die sozialen Netzwerke wie Facebook so einen großen Zulauf. Dort können sich die Bürger äußern, erklärt Schechter.

Ob die komplette Abkehr vom Qualitätsjournalismus hin zum Bürgerjournalismus die Lösung ist - das bezweifelt Danny Schechter aber auch: "Diese Entwicklung könnte auch negative Seiten haben. Professioneller Journalismus ist schon sehr wichtig, vor allem, wenn er gut ist. Aber unglücklicherweise hat sich das Medienbusiness mit der immer stärkeren Boulevardisierung sehr an Niveau verloren. Deshalb fühlt sich ein Teil der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr vom Journalismus angesprochen.“

"Braucht die Demokratie gut informierte Bürger?"

Dass der Trend zum Gratisjournalismus und zu Gratisinhalten im Web auch seine Schattenseiten hat, erlebt Danny Schechter vor allem als Filmemacher. Er kann kaum mehr das Geld auftreiben, um seine unabhängigen Produktionen zu finanzieren. In Krems hat er seinen Film "Barack Obama - People's President" vorgestellt - eine Dokumentation unter anderem darüber, wie Obama mit Hilfe der neuen Medien enger an seine Wähler heran kam.

Laut Schechter muss sich die Gesellschaft entscheiden, ob sie professionellen Journalismus haben will. "Braucht die Demokratie nicht gut informierte Bürger, damit jene intelligente Entscheidungen treffen können? Dabei hätten institutionelle Medien eine wichtige Rolle zu spielen. In einigen Fällen nehmen sie diese Aufgabe einfach nicht wahr, in anderen Fällen können sie es sich einfach nicht leisten."

Hör-Tipp
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr

Link
Danny Schechter

Übersicht