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Spielräume
Leonardo "Flaco" Jiménez (1939-2025)
Musik aus allen Richtungen mit Michael Neuhauser. Erinnerung an Flaco Jiménez, den Weltstar des texanischen Conjunto-Akkordeons
20. August 2025, 17:30
Leonardo "Flaco" Jiménez war sieben Jahre alt, als sein Vater Santiago Jiménez ihn mitnahm ins Tanzlokal im texanischen San Antonio, wo er regelmäßig an den Wochenenden als Musiker dazuverdiente - mit herzhaften Polkas, Corridos, Rancheras und Walzern. Nun durfte an seiner statt der Sohn für einige Stücke in der Band die Knopfharmonika spielen - auf einer Bierkiste stehend, um das Instrument in die Nähe des Mikrofons zu bringen. Das Geld, welches das begeisterte Publikum für den Buben in einem Glas sammelte, war seine erste Gage. Ab da war der Weg vorgezeichnet; Flaco Jiménez wurde trotz seiner eher schüchternen Art schon als Jugendlicher zu einem Vollblut-Entertainer, der verlässlich die Säle füllte - ein "Llenasalones".
Hatten sein Großvater Patricio und sein Vater Santiago mit ihrem Spiel, ihrem Gesang und ihren Kompositionen die Conjunto-Musik als fixen Bestandteil der Tejano-Kultur im südlichen Texas der 1940er und 1950er Jahre entwickelt und etabliert, wuchs Flaco im Laufe seiner Karriere weit darüber hinaus, ohne die Tradition jemals ganz hinter sich zu lassen. Denn zunächst war nicht er es, der die Grenzen sprengte, vielmehr wurden auch Musiker ohne Latino-Wurzeln auf ihn aufmerksam und wollten sein treibendes Tex-Mex-Akkordeon in ihrer Musik haben, allen voran Ry Cooder, der ihn ab Mitte der 70er Jahre immer wieder ins Studio holte und auch auf Tournee nach Europa mitnahm. Das machte Flaco Jiménez und mit ihm die erdige Tanz-Musik aus San Antonio erst wirklich bekannt bei einem nicht mexikanischstämmigen Publikum in und außerhalb der USA.
In den 80ern und 90ern begannen dann Rockmusik, Country und Tex-Mex immer mehr zusammenzuwachsen, und Flaco Jiménez griff nun auch selbst aktiv andere Stilistiken auf, ohne sich jedoch dabei zu verbiegen. Mit der 1989 von ihm, Doug Sahm, Augie Meyers und Freddy Fender gegründeten Band Texas Tornados war ein weiterer Höhepunkt erreicht. Und bald übernahm auch eine neue, jüngere Generation begeistert das Erbe, um die texanische Conjunto-Musik ins neue Millennium zu bringen, wo sie nach wie vor blüht, etwa bei Max Baca und seinen Texmaniacs.
Doch ging und geht es damals wie heute hinter dieser ursprünglich nur für eine lokale, spanischsprachige Arbeiterschicht gespielten Tanzmusik immer um mehr als nur Unterhaltung, nämlich um eine Bestätigung und Bekräftigung der eigenen kulturellen Identität im prekären und heute erst recht wieder bedrohten Leben nahe der Grenze zwischen den USA und Mexiko.
Schon lange war der fünffach mit einem Grammy ausgezeichnete Flaco Jiménez von Krankheit gezeichnet, zumindest beim jährlichen Tejano Conjunto Festival in San Antonio betrat er dennoch immer wieder die Bühne. Am 31. Juli ist er 86-jährig in seiner Heimatstadt gestorben.
Sendereihe
Gestaltung
- Michael Neuhauser