Texte - neue Literatur aus Österreich

"Ein Ungeheuer der Einsamkeiten." Von Günter Eichberger. Es liest Alexander Peutz

Ein Börsenspekulant, dessen Biografie deutlich an jene von George Soros erinnert, ist entführt worden. In einer ausladenden Verteidigungsrede versucht er sich gegenüber seinen stummen, gesichtslosen Entführern zu rechtfertigen, sei er doch selbst ein Revolutionär und einer der Ihren. Und wie dessen reales Vorbild ist Günter Eichbergers Investor davon überzeugt, Gott zu sein, und kommt auf die Idee, dass er selbst hinter der Geiselnahme stehen könnte ...

Als Autor des Monologs tritt ein Vielschreiber namens Griebl, der sich auf das literarische Ausbeuten biografischen Materials spezialisiert hat, in die Erzählung. Seine seltsam passive Existenz steht in denkbar großem Gegensatz zum Leben des Börsianers, das er sich zunehmend anzuverwandeln versucht. Ausgehend von der, nicht nur im Literaturbetrieb geführten Debatte um den Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Sprachmaterial zwischen Verächtern des Originalitätsbegriffs und Verfechtern des Authentischen findet sich in "Die Nahrung der Liebe" eine Fülle von Zitaten und Anspielungen: Bakunin, Barthes, Enzensberger, Franzobel, Soros, Unsichtbares Komitee u. a.

Und ein Zitat des Unsichtbaren Komitees steht folgerichtig auch am Anfang des Textes von Günter Eichberger: "Man will aus uns schön eingegrenzte Ichs machen, schön getrennt, nach Eigenschaften klassifizierbar und erfassbar, kurz: kontrollierbar."

Günter Eichberger, geboren 1959 in Oberzeiring (Steiermark), lebt als freier Schriftsteller in Graz. Neben Theaterstücken und Hörspielen veröffentlichte er eine Reihe von Prosabänden. Zuletzt erschienen: Alias (Ritter Verlag, 2008).

Service

Günter Eichberger, "Ein Ungeheuer der Einsamkeiten" aus "Die Nahrung der Liebe", Ritter Verlag, Klagenfurt

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