Gedanken für den Tag

Von Andreas Muhar. "Was ich alles nicht weiß" - Wissenswertes über das Nichtwissen. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Die Integration verschiedener Wissensarten ("Expertenwissen", "Laienwissen") bei der Lösung von Nachhaltigkeitsfragen ist einer der Forschungsschwerpunkte von Andreas Muhar, Professor an der Universität für Bodenkultur Wien.

In den "Gedanken für den Tag" setzt er sich rund um den Beginn des neuen Schuljahres mit dem "Nichtwissen" auseinander. Dieses sei nämlich oft besser als sein Ruf, so Muhars provokante These.


Spielarten des Nichtwissens

In der Wissenschaftstheorie gibt es eine Vielzahl an Klassifikationen des Wissens. Das Nichtwissen wird dem gegenüber oft als eine einheitliche, eher diffuse Masse dargestellt, obwohl es auch da wert ist, unterschiedliche Formen zu betrachten.

Die einfachste Form des Nichtwissens ist wohl das nicht abgeholte Wissen. Ich weiß, dass ich nicht sehr viel über die Musikinstrumente des Mittelalters oder über die Geschichte des Buddhismus in Südostasien weiß. Aber ich weiß auch, wo ich mir dieses Wissen abholen kann. Das ist sozusagen nur mein persönliches Nichtwissen, weil andere dieses Wissen ja schon haben.

Für mich als Wissenschaftler an einer Universität ist die wichtigste Form des Nichtwissens das Noch?Nicht?Wissen. Da gibt es eine Forschungsfrage, die ich zwar heute nicht beantworten kann, bei der ich aber recht gut abschätzen kann, auf welche Weise ich sie untersuchen muss, damit ich zu sinnvollen Ergebnissen komme. Die Forschungsfrage ist klar genug umschrieben, die Methoden zur Untersuchung sind erprobt, ich muss das Experiment nur durchführen. Man kann das auch mit Sudoku-Spielen vergleichen: Die Regeln und die üblichen Lösungsstrategien sind bekannt, und meistens kann man das Problem damit lösen. Das ist der Alltag vieler Wissenschaftler. Der deutsche Soziologe Bernhard Gill bezeichnet das Noch-Nicht-Wissen als das Lebenselixir der Wissenschaft.

Viel spannender ist das nicht auflösbare Nichtwissen: Fragen, die wir mit unseren üblichen Methoden nicht beantworten können, wo wir wirklich originelle Ideen, wissenschaftliche Innovationen brauchen.

Und dann gibt es auch das Nochnicht?Nichtwissen, also das Nichtwissen, das wir noch gar nicht als solches entdeckt haben, Fragen, die wir noch nie angedacht haben, weil sie uns bisher noch nicht über den Weg gelaufen sind, oder weil wir uns gar nicht getraut haben, so weit zu fragen.

Der amerikanische Kulturkritiker Neil Postman meinte, dass Fragen die eigentlichen intellektuellen Werkzeuge des Menschen sind. So gesehen, können auch nur die mutigsten Fragesteller wirklich neue Antworten liefern

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Titel: GFT 120904 Gedanken für den Tag / Andreas Muhar
Länge: 03:49 min

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