Gedanken für den Tag

Von Magdalena Miedl. "Durchs Brot die Welt" - Gedanken zum 'Welttag des Brotes'. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

An Feiertagen, wenn bei meinen Eltern daheim für eine große Runde gekocht wird, kommt das Brot in einem runden, aus Stroh geflochtenen Korb auf den Tisch, auf dessen Außenseite ein kleines Stück Stoff aufgenäht ist. Mit Tintenblei hat jemand unseren Namen "Miedl" draufgeschrieben. Es ist die Handschrift meiner verstorbenen Großmutter Anna, der Mutter meines Vaters.

In den Jahren nach dem Krieg hat Anna, die damals eine junge Mutter war, selbst Schwarzbrot gemacht, und in dem Backkarrl, dem Korb, wurde es zum Bäcker gebracht, der es für die Familien im Ort buk. Bei dem Brot, das es damals teuer zu kaufen gab, wusste keiner genau, was drinnen war, und wer konnte, machte den Teig selbst in dem kleinen Mühlviertler Ort, in dem die Familie meines Vaters lebte. Mein Vater hat mir oft erzählt wie sehr er und seine Schwestern sich darum gerissen haben, das frische Brot mit dem Leiterwagen vom Bäcker abzuholen, denn dann konnte man heimlich ein Stück der köstlichen aufgerissenen Kruste abbrechen. Nichts duftet verführerischer als ein frischer Laib Brot, und wie sehr erst in einer Kindheit voller Not, in der ein Laib mehr wert war als ein Fahrrad - ein Tauschgeschäft, das meiner Großmutter tatsächlich einmal von einem Kriegsheimkehrer angeboten wurde, das sie aber ablehnen musste, weil sie das Brot für ihre vier Kinder brauchte.

Das noch warme Brot war fantastisch, aber es durfte nicht am selben Tag gegessen werden. Da wurden Schauergeschichten erzählt: "Von Frischgebackenem platzt euch der Bauch auf, da zerreißts einen." Dabei war der Grund, dass frisches Brot einfach so köstlich ist, dass man vor Gier gleich viel mehr isst als bei ein, zwei Tage altem Brot.

Meine Großmutter Anna hat, bevor sie einen Brotlaib angeschnitten hat, den Laib mit der Daumenkante mit drei Kreuzen gesegnet, mit der unausgesprochenen Bitte, dass immer genug Nahrung für die Familie da sein möge. Meine Mutter, die die Not nicht kennen lernen musste, geht prosaischer mit Brot um, und benutzt eine Brotschneidemaschine. Ich schneide mein Brot mit der Hand und backe manchmal sogar selbst. Und die Brotkruste liebe ich genauso sehr wie mein Vater als kleiner Bub.

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Titel: GFT 121020 Gedanken für den Tag / Magdalena Miedl
Länge: 03:49 min

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