Zwischenruf

Eine verkehrte Welt. Über Korruption und das verborgene Gegenteil von Susanne Heine (Wien).

Wieder fliegt ein Skandal auf. Dabei geht es immer um dasselbe. Um Geld, Sex und Macht: unwiderstehlich sein, über andere herrschen, den lieben Gott spielen. Die andere Seite der Medaille: Die Mächtigen, Reichen und Schönen werden bewundert, auch wenn sie noch so korrupt sind. Dieses Zusammenspiel hat Geschichte: Die Ungerechten sind reich und wohlgenährt, sie reißen das Maul auf, und darum rennt das Volk ihnen nach, heißt es in Psalm 73. Deshalb kann es lange dauern, bis Skandale auffliegen.

Es ist nicht leicht, dieses Spiel zu durchschauen. Das wusste schon der Philosoph Platon vor 2.500 Jahren. Warum müssen die Gerechten, die es ehrlich meinen, leiden? Als genauer Beobachter hatte er auch die Antwort parat: Weil die Korrupten sich um jeden Preis den Anschein der Gerechtigkeit geben müssen, damit sie angesehene Bürger mit einer weißen Weste bleiben. Solange es ihnen gelingt, den Schein zu wahren, fliegen sie nicht auf. Und damit sie nicht auffliegen, müssen sie die Ehrlichen heruntermachen und ins Unrecht setzen. Die sind schließlich eine Gefahr, könnten die verschleierte Wahrheit ans Licht bringen und den Erfolg der Korrupten zunichtemachen. Die Täuschung als Weg an die Macht und zu einem Leben in Überfluss ist das Thema der Literatur von den großen Dramen bis zum Kriminalroman - eine uralte Geschichte in immer wieder neuen Auflagen.

Diese verkehrte Welt ist auch ein Thema in der Geschichte des Jesus von Nazaret. Heute ist Palmsonntag, die Erinnerung an seinen Einzug in Jerusalem. Die Leute haben ihm schon davor zugejubelt und sich gründlich getäuscht. Er hat Brot und Fisch vermehrt - eine gute Aussicht, immer genug zu essen! Unser König soll er werden, damit er uns versorgt, unser Präsident, unser Führer! Aber Jesus ist kein Brötchengeber, hat die verkehrte Welt auch nicht umgedreht und in ein Paradies verwandelt, im Gegenteil: Als mutmaßlicher Aufständischer wird er von den Römern wie ein Verbrecher hingerichtet, und den religiösen Autoritäten, die um ihre Macht fürchten, ist das ganz recht.

Das sieht nach Scheitern auf allen Linien aus. Alle Hoffnungen, die Menschen so gerne auf alle möglichen Autoritäten setzen, zerplatzen wie eine Seifenblase. Aber die verkehrte Welt, in der Karwoche verdichtet, hält sich nicht durch. Irgendwann ist die Wahrheit immer noch ans Licht gekommen. Irgendwann steht die Wahrheit auf, die schon jetzt unter ihrem Gegenteil verborgen liegt und entdeckt werden kann. Irgendwann laufen die Leute den Korrupten, die das Maul aufreißen, nicht mehr nach, weil ihnen die Augen aufgehen und sie sehen, worauf es ankommt: dass wir uns aufeinander verlassen können und einander beistehen; dass uns das Leben etwas bedeutet, dass uns andere Menschen etwas bedeuten. Auch die Korrupten und Ungerechten sind dazu bestimmt, Ebenbild Gottes zu sein und für das Leben zu sorgen, und vielleicht geht ihnen das doch einmal auf. Irgendwann und am Ende ganz sicher.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Bela Bartok
Titel: Quartett für Streicher Nr.2 in a-moll op.17 Sz.67
* Allegro molto capriccioso - 2.Satz (00:07:34)
Streichquartett
Ausführende: Alban Berg Quartett
Ausführender/Ausführende: Günter Pichler /Violine
Ausführender/Ausführende: Gerhard Schulz /Violine
Ausführender/Ausführende: Thomas Kakuska /Viola
Ausführender/Ausführende: Valentin Erben /Violoncello
Länge: 00:40 min
Label: EMI 7477208

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