Gedanken für den Tag

Von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschaftlerin und Direktorin des Wiener Dommuseums. "Kunst verändert das Leben" - Zum 40. Todestag des Dompredigers und Kunstförderers Otto Mauer

Eine mit wenigen schwarzen Tuschestrichen gezeichnete Figur schwebt in der Mitte des weißen Blattes. Der zur Seite gedrehte Kopf wirkt vogelartig, die Arme entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Flügel. Die schlichte Tuschezeichnung hat Maria Lassnig im Jahr 1970 gefertigt. Am unteren Bildrand ist der Titel handschriftlich notiert: "Christmas angel for Monsignore". Das Blatt befindet sich heute in der Sammlung Otto Mauer. Sie wurde 1980 dem Wiener Dom- und Diözesanmuseum übergeben, nachdem der Priester 1973 unerwartet an einem Lungeninfarkt verstorben war.

An die 3000 Exponate umfasst die Sammlung. Darunter Werke von Gustav Klimt, Herbert Boeckl und Arnulf Rainer. Sie enthält aber auch welche von weniger bekannten und dennoch bedeutenden Künstlern und Künstlerinnen der österreichischen Nachkriegsavantgarde wie dem Bildhauer Andreas Urteil oder der Malerin Helga Phillip.

Ein Weihnachtsengel für die österreichischen Nachkriegsavantgarden war der 1931 im Stephansdom zum Priester Geweihte in der Tat. Ja, man kann sich rückblickend gar nicht vorstellen, wie sich Kunst und Architektur in Österreich entwickelt hätten ohne ihn. Seine "Galerie nächst St. Stephan" war lange das Zentrum für Innovatives schlechthin. Dabei hat sich Otto Mauer keineswegs nur auf bildende Kunst beschränkt. So haben Hans Hollein und Walter Pichler etwa hier ihre legendären Architektur-Utopien gezeigt. Und der Komponist Anestis Logothetis hat Konzerte gegeben.

Bereits früh hat sich der 1907 in Brunn am Gebirge als Sohn eines Bankbeamten Geborene für Kunst interessiert. Zunächst sammelte Otto Mauer Kunstdrucke. Später kam er über die katholische Jugendbewegung "Neuland" mit Künstlern wie Max Weiler oder Rudolf Szyskowitz zusammen. Das persönliche Gespräch mit Künstlerinnen und Künstlern sollte sein Denken und Handeln in den folgenden Jahrzehnten entscheidend prägen.

Dass ein katholischer Priester zu dem leidenschaftlichen Förderer der österreichischen Avantgarde schlechthin wurde, erstaunt noch heute. Für Otto Mauer war sein Engagement für die Kirche und die zeitgenössische Kunst kein Widerspruch. So meinte er: "Kunst ist schließlich ein elementarer Lebensbereich des Menschen."

Service

Dom- und Diözesanmuseum Wien

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin/1810 - 1849
Gesamttitel: 24 Preludes für Klavier op.28
Titel: Prelude op.28 Nr. 4 in e-moll - Largo
Solist/Solistin: Maurizio Pollini /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: DG 4137962

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