Im Gespräch

"Wir müssen sagen, wie es gewesen ist. Nur das macht unsere Arbeit glaubwürdig!" Michael Kerbler spricht mit Gerhard Baumgartner, Historiker

Das "Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes", kurz DÖW genannt, eines der wichtigsten Archive unseres Landes, hat seit gestern einen neuen wissenschaftlichen Leiter: der Historiker Dr. Gerhard Baumgartner hat die wissenschaftliche Führung des Dokumentationsarchivs übernommen.
Baumgartner hat sich als Experte zur Geschichte der Verfolgung der Roma und Sinti national sowie international einen Namen gemacht. Er befasste sich mit der Geschichte der nationalen Minderheiten des Burgenlands ebenso wie mit Forschungen zu Holocaust und nationalsozialistischem Vermögensentzug. Mit seinen Arbeiten zu zeitgeschichtlichen Bildungsprogrammen hat er auch außerhalb Österreichs Anerkennung erworben.
Die Forschungsarbeit des DÖW konzentriert sich auf die Zwischenkriegs- und NS-Zeit. Forschungsschwerpunkte sind: Widerstand und Verfolgung, NS-Verbrechen, wie Holocaust und NS-Medizinverbrechen, NS- und Nachkriegsjustiz aber auch die Geschichte des Exils. Darüber hinaus werden Themenfelder wie der Rechtsextremismus in Österreich sowie Restitution und Entschädigung nach 1945 von den Historikerinnen und Historiker des Archivs bearbeitet.
Gerhard Baumgartner wird ein Archiv leiten, das gegen viele Widerstände und
Anfeindungen gegründet wurde. Nicht gleich nach Kriegsende, wie man meinen könnte, sondern erst 18 Jahre später, im Februar 1963. Über Jahre wurde hier-zulande auf die Interessen von Weltkriegsteilnehmern und ehemaligen NS-Anhängern Rücksicht genommen. Dieser Personenkreis vertrat die Ansicht, dass es Widerstand in Österreich eigentlich nicht gegeben habe. Die Folge: Angehörige des österreichischen Widerstandes wurden als "Verbrecher", als "Feiglinge", und auch als "Verräter" diffamiert, die Existenz eines Widerstandes weiterhin bagatellisiert und angezweifelt. Diese als Wählerpotential interessante Gruppe konnte auch deshalb in ihren alten politischen Denkmustern verharren, weil sich Österreich in der Phase des "Kalten Krieges" als "erstes Opfer" des Hitler-Faschismus darstellen konnte. Daher blieb das, was in den Jahren der NS-Diktatur, aber auch davor in der Zwischenkriegszeit in Österreich geschehen war, unaufgearbeitet, wurde lange Zeit verdrängt und die Erinnerung daran unterdrückt.

Service

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

Sendereihe