Gedanken für den Tag

von Michael Krassnitzer, Journalist. "Zwischen Licht und Schatten" - Zum 115. Geburtstag von Jorge Luis Borges. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges, dessen Geburtstag sich kommenden Sonntag zum 115. Mal jährt, gehört zu den Lieblingsautoren von Papst Franziskus. Das Kirchenoberhaupt rühmt seinen 1986 verstorbenen Landsmann, den er noch persönlich kannte, als "sehr weisen und tiefen Menschen".

Borges ist einer der wichtigsten Schriftsteller Lateinamerikas und einer der bedeutendsten Literaten des 20. Jahrhunderts. Er verfasste zahlreiche fantastische Erzählungen, Gedichte und Kurzgeschichten, in denen er ständig mit Realität und Fiktion spielt. Die Welt stellt sich in den Texten des im Alter von 50 Jahren Erblindeten als rätselhaftes Labyrinth dar, das stets neu geschaffen wird. Er gilt als der meistzitierte Literat in der zeitgenössischen Philosophie.
Borges stieß jedoch auch auf vehemente Ablehnung. Denn sein Werk war nicht sozialkritisch, mit der Linken hatte er nichts am Hut. Er äußerte sich abfällig über die Demokratie, er freute sich über den Militärputsch 1976 in Argentinien, er nahm eine Ehrung des chilenischen Diktators Pinochet an. In der Folge wurde er als Reaktionär, ja als Faschist gebrandmarkt. Das kostete ihn den Nobelpreis.

Natürlich ist Borges, der seine politische Haltung einmal als "Westentaschen-Anarchismus" beschrieb, kein Faschist. Und natürlich ist die Gestalt Borges zu vielschichtig, als dass sie sich auf die genannten Fehltritte reduzieren ließe. In den Zeiten, als es noch kein Internet gab, gab es bereits jene Mechanismen, die auch einem modernen Shitstorm zugrunde liegen: Eine falsche Bemerkung, eine unkluge Äußerung genügen, um mit dem geballten Zorn einer Community übergossen zu werden.

Kritik zu üben halte ich für durchaus legitim, aber gleichzeitig kann man in diesem Zusammenhang nur immer wieder auf ein Wort aus der Bergpredigt verweisen: "Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet."

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Friedrich Händel/1685 - 1759
Album: Ballettmusik von Georg Friedrich Händel
* 2. Musette (00:01:47)
Titel: Ballettmusik aus der Oper "Alcina" HWV 34
Prelude
Orchester: English Baroque Soloists
Leitung: John Eliot Gardiner
Länge: 02:00 min
Label: Erato 2292453782

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