Gedanken für den Tag

26. September 2014, 06:56

Rosch ha-Schanah

Heute ist das jüdische Neujahr, Rosch ha-Schanah. Rosch heißt Kopf, Rosch ha-Schanah - der Kopf des Jahres. Man isst Apfel mit Honig für das Süße im Leben. Menschen, die daran glauben, beten zwei Tage im Tempel für ein gutes nächstes Jahr. Die jüdischen Feiertage fangen immer am Abend davor an, weil die Nacht den Tag einläutet. Und der Abend davor fängt an, wenn man die ersten drei Sterne am Himmel sieht. So hat jeder Tag seine eigene Anfangszeit. Die Feiertage sind nach dem Mond berechnet und der steht heute richtig für den nächsten Anfang des Jahres.

Ich erinnere mich an diese Dinge nur aus der Kindheit, als ich sie gehört habe, fern von heute. Das ist wie Schwimmen lernen, das verlernt man nicht. Auch wenn man gar nicht mehr Schwimmen gehen will.

Rosch ha-Schanah, der Kopf des Jahres. "Warum hat das Jahr einen Kopf?", fragt mein Sohn Zino beim Frühstück. "Weil der Kopf der Anfang ist." "Ich fang bei den Füßen an, nicht beim Kopf!", meint mein anderer Sohn, Oskar. "Du bist ja auch kein Jahr, sondern ein Bub!", meint Zino. Sie müssen wissen, meine Kinder sind endgültig atheistisch.

Weil ich mich ja jetzt durch die Radiosendung damit auseinandersetze, erzähle ich den Kindern auch den Zusammenhang zwischen dem Abend davor und dem Tag danach, an den ich mich heute erinnert habe, dazwischen die Nacht. "Trotzdem hab ich heute schlecht geschlafen", meint Oskar.

Jede Nacht, um vier Uhr früh, findet bei uns zu Hause der Klo-geh-Exodus statt. An meiner Hand. Oskar fürchtet sich, wenn er alleine ins andere Zimmer gehen soll. "Früher", sag ich den Kindern, "früher hab ich mich auch gefürchtet, vor einem Gorilla unter dem Bett." "Der passt ja gar nicht unter ein Bett, Mama." Zino lacht. "Aber der Kopf würde sich ausgehen." Oskar lächelt. "Bei einem bestellten Bett bekommt man den Kopf eines Gorillas gleich mitgeliefert! Du machst den Karton auf und der Kopf ist auch eingepackt. Und mit dem Schraubenschlüssel kannst du ihn aufpumpen."

Ab jetzt heißt bei uns Rosch ha-Schanah wohl nicht nur der Kopf des Jahres, sondern auch der Kopf eines Gorillas.

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