Zwischenruf

von Dr. Christoph Weist (Wien)

Sicherheit - das große Geschenk

"Die Terrorgefahr ist da, Weltnachrichten werden zu Todesnachrichten, jeder fragt sich, wer der Nächste ist." Mit solchen alarmierenden Aussagen kennzeichnen manche Politiker die derzeitige Situation im Land. Und hektisch kündigen sie eine personelle Aufstockung und bessere Ausrüstung der Exekutive an und fordern die Speicherung aller persönlichen Kommunikationsdaten ohne Anlass und Verdacht. Natürlich, so räumte einer kürzlich ein, es könne jemand ungerechtfertigt zum Handkuss kommen, aber es gehe eben um den Schutz vieler .

Das erweckt die Vorstellung, Sicherheit sei machbar, man müsse sie nur wollen. Ein nicht unwichtiger Nebengedanke dabei ist: Im Falle eines Falles kann nachher niemand sagen: Hätte man doch..

Aber kann es die totale Sicherheit wirklich geben?

Der in Wien lehrende evangelische Theologe Ulrich Körtner schreibt: "Zum christlichen Glauben gehört allemal eine gute Portion Skepsis,. auch gegenüber einem übersteigerten Sicherheitsdenken". Und er warnt davor, dass man sich bei der Übernahme von Verantwortung "für alles und jedes" auch "überheben" könne .

Das bedeutet nichts anderes als: Die Fähigkeiten der Menschen sind begrenzt. Das gilt auch für ihre Möglichkeiten, in der Risikogesellschaft, in der wir mit oder ohne Terrorbedrohung nun einmal leben, umfassende Sicherheit für sich und für andere herzustellen und nachhaltig zu garantieren. Damit soll die bewundernswerte Leistung der Angehörigen von Polizei und Sicherheitskräften in den vom Terror betroffenen Ländern nicht geschmälert werden. Im Gegenteil, man kann dafür nur danke sagen. In den vergangenen Wochen waren ihr lebensgefährlicher Einsatz gegen Hass Menschenverachtung und die Opfer, die sie gebracht haben, deutlich zu verfolgen, - gemütlich am Radio oder am Fernsehschirm. Aber gerade auch die Verantwortlichen in den Sicherheitsapparaten erinnern ganz ehrlich daran: Letzte Sicherheit ist von Menschen nicht zu gewährleisten. Der Theologe Körtner mahnt sogar: "Utopien von totaler Sicherheit sind demokratie- und freiheitsgefährdend."

Das hat natürlich seine Gründe. Für den christlichen Glauben liegen sie in der biblisch verankerten Überzeugung: Gott allein ist der Schöpfer und Erhalter der Welt und damit auch meines Lebens. In seiner Hand liegen auch Frieden und Sicherheit. Was immer Menschen dazu tun können, sie sind nicht Gott. Das enthebt sie keinesfalls ihrer Verantwortung, für ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen sorgen zu müssen. Allerdings mit Mitteln, die nicht wiederum zu ihrem Schaden werden, etwa indem sie Freiheit und Selbstbestimmung aufs Spiel setzen.

Der Schöpfungsglaube nimmt von Menschen einen großen Druck, den Druck, allein für sich selbst sorgen zu müssen. "Was ich nicht selbst tue, geschieht nicht", diese angebliche Erfahrung ist, theologisch gesprochen, ein Trugschluss. Gott ist unserem Tun immer voraus, auch unseren Sicherheitsvorkehrungen. Wie gesagt, die Verantwortung bleibt, aber man sie eine "reflektierte Verantwortung" genannt. Es ist eine Verantwortung, die ihre Grenzen im Blick behält. Sie kann diese Grenzen öffentlich eingestehen, ist frei von Angst und Panik und kann gerade deshalb das Menschenmögliche tun. Denn sie weiß: Letzte Sicherheit ist nicht machbar, sie ist ein riesengroßes Geschenk.

Das alles ist keine Vertröstung, es bietet die Sicherheit, sich im Streben nach Sicherheit sinnlos zu überheben. Christlicher Glaube steht hier gegen den Machbarkeitsglauben. Wir haben die Wahl.

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