Gedanken für den Tag

8. Juli 2015, 06:56

Ein Herz, das in alle zehn Richtungen geht: Das zeigt das sinojapanische Schriftzeichen de - für "Tugend". Mit den üblichen Vorstellungen von Tugend hat das wenig zu tun, dafür mit Weisheit, Integrität und einer ungekünstelten natürlichen Menschlichkeit. Viele sahen den Jesuitenpater Hugo Makibi Enomiya-Lassalle als einen Mann des "de". Sein Zen-Meister Yamada Koun Roshi meinte, er selbst sei Zen-Meister, Lassalle aber sei Lebe-Meister. Er bewunderte Lassalles tiefe Demut, seine Großmut und seine Menschlichkeit.

Äußerlich bot Lassalle - als ich ihn kennenlernte - das Bild eines alten, etwas unbeholfenen und ärmlich gekleideten Priesters, dabei kam er aus einer Millionärsfamilie. Im Ersten Weltkrieg hatte er seinen Bruder verloren und war selbst verwundet worden. Im Herbst 1918 war er dann ins Noviziat der Jesuiten eingetreten. Bescheiden und zurückhaltend, sah er Demut als wichtigen Teil der spirituellen Praxis. Oft suchten berühmte Zeitgenossen den Kontakt zu dem Jesuiten und Zen-Lehrer. Die vielen jungen Leute und älteren Menschen, die zu seinen Zen-Kursen kamen, behandelte er mit derselben höflichen Freundlichkeit wie die Berühmtheiten. Die zahlreichen Briefe, die er erhielt, beantwortete er alle selbst. Bis ins hohe Alter war er die meiste Zeit allein unterwegs, um Sesshins, Zen-Kurse, zu geben, auf Reisen zwischen Japan und Europa, aber auch nach Indien, Pakistan oder Korea. Sein ganzes Gepäck bestand aus einer schmalen Umhängetasche, die er einmal von einer Fluglinie bekommen hatte.

Service

Ursula Baatz

Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Kraft aus dem Schweigen. Einübung in die Zen-Meditation", Patmos Verlag
Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Zen-Unterweisung", Kösel Verlag
Buch, Hugo M. Enomiya-Lassalle, "Mein Weg zum Zen", Kösel Verlag
Buch, Ursula Baatz, "Hugo M. Enomiya-Lassalle, Jesuit und Zen-Meister", Herder Verlag

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