Gedanken für den Tag

22. Juli 2015, 06:56

Folgen die Geführten dem Führenden oder ist es umgekehrt? Wenn man genauer hinsieht, ist es ein Wechselprozess: Einmal ist es der, einmal ist es der andere. Damit läuft man aber im Rondeau, im Kreis, und erreicht letztlich nie das Ziel, weil alles in Bewegung ist und gleichzeitig ist alles im Stillstand, weil eben keiner sich über dieses vertraute, wohlbekannte Rondeau erhebt. Im Zentrum des Kreises haben Sie absolute Stille. Und das ist eine unabgesprochene, gelebte Achse der Stille, die sehr viele Führungsprozesse beherrscht und damit verkommt Führung, es führt sich ad absurdum, weil nichts Gestaltendes stattfindet, nichts Neues.

Wenn sich also eine Führungskraft nur mit den Besten umgibt, dann setzt sie sich einer ganz spezifischen Gefahr aus, nämlich von diesen Besten entlarvt und entmachtet zu werden. Denn diese Mitarbeiter sind nicht zu biegen, denen geht es um die Sache und nicht um die Gefolgschaft. Denen geht es auch nicht um das Verbleiben an den Futtertrögen der Macht und des Ansehens, die sind auch nicht immer loyal und daher sind sie gefährlich.

Wenn also die Mitte heraufbeschworen wird, dann hat der Führende die Garantie, bleiben zu können, aus seiner Mittelmäßigkeit, die er vorgibt, resultiert seine Macht. Führung hat sich damit ad absurdum geführt.

Wenn man jetzt in die Musik hinein schaut, dann ist da etwas ganz Interessantes, weil es sich fundamental von dem, was ich bisher gesagt habe, unterscheidet. In der Musik ist ein Musikstück nie fertig, es ist nie ganz und perfekt und es wird nie in diesem geschlossenen Rondeau agiert. Musiker haben eine Art Aversion gegen Abgeschlossenes, das bremst und unterdrückt ihre Kreativität, das schränkt den Raum der Möglichkeiten ein, was die Interpretation angeht, auch die Vielfalt in der Darstellung, in der Zusammensetzung, in den Aufführungsvarianten, die müssen immer offen bleiben. Das ist auch ein Teil des Mythos, der Quelle für Musik.

Da frage ich mich, ob das nicht auch ein Impuls für die Wirtschaft wäre, für die Politik, für den Sport, für die Wissenschaft: Führung verstanden als ein Prozess der Entwicklung, der Ausdehnung, vor allem aber der Weiterentwicklung des Einzelnen und des Gesamten.

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