Gedanken für den Tag

von Oliver Achilles, katholischer Theologe. "Wir sind alle Griechen". Gestaltung: Alexandra Mantler

Schrift und Identität

Was wir den Griechen verdanken, ist das Naheverhältnis von Schrift und Identität. Wie wir lesen und schreiben bestimmt unsere Kultur bis heute, seitdem sie das Alphabet von den Phöniziern übernahmen und weiterentwickelten.

Mit Hilfe dieses Alphabets gelang ihnen etwas Entscheidendes: das grundlegende Werk der griechischen Antike - die Epen des Homer - zu verschriftlichen. Homer gewann in weiterer Folge die Würde eines maßgeblichen, eines kanonischen Textes. Ausgehend von Athen wurde sein Werk nicht nur die Grundlage jeden Unterrichts - an seiner Beherrschung bemaß sich auf Jahrhunderte die Bildung und Stellung eines Menschen. Zusammen mit dem Text der Epen verfestigte sich das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl der Griechen.

Erstaunlicherweise wird nach der hebräischen Bibel zur gleichen Zeit im Jerusalemer Tempel ein Text entdeckt, der Autorität beanspruchte und erhielt: "das Buch der Tora".

In Alexandria, in Ägypten, gründeten die Griechen eine Bibliothek, die den Anspruch hatte, alle wichtigen Bücher der Welt zu versammeln und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Wenn Wissen geteilt wird, profitiert eine ganze Gesellschaft. Wichtige Bücher konnte es für sie allerdings nur in einer Sprache geben: in ihrer eigenen.

Gleichzeitig entwickelten die Griechen zur Sicherung, Kommentierung und Verbreitung des Homertextes eine neue Wissenschaft: die Philologie. Diese Auslegung des Homer bezeichneten sie als "Exegese". Wiederum sind die strukturellen - nicht so sehr die inhaltlichen - Parallelen zur Bibel beeindruckend. Kaum zufällig entsteht daher gerade in der jüdischen Gemeinde Alexandrias die erste und wichtigste Übersetzung der Bibel: die Septuaginta. Ihretwegen ist das Neue Testament ein griechisches Buch - das unzweifelbar eine Grundlage unserer Zivilisation ist.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Harry Partch
Bearbeiter/Bearbeiterin: Ben Johnston
Album: KRONOS QUARTET: EARLY MUSIC - LACHRYMAE ANTIQUAE
Titel: Two Studies on Ancient Greek Scales - für Streichquartett
* Nr.1 Olympos' Pentatonic
* Nr.2 Archytas' Enharmonic
Ausführende: Kronos Quartet
Ausführender/Ausführende: David Harrington /Violine
Ausführender/Ausführende: John Sherba /Violine
Ausführender/Ausführende: Hank Dutt /Viola
Ausführender/Ausführende: Joan Jeanrenaud /Violoncello
Länge: 02:00 min
Label: Nonesuch/WEA 7559794572

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