Zwischenruf

von Bischof Michael Bünker (Wien)

"Auf gleicher Augenhöhe" - Zum Tod von Christine Gleixner

Am vergangenen Mittwoch wurde Christine Gleixner, Oberin der Frauen von Bethanien, beerdigt. Sie ist in ihrem neunzigsten Lebensjahr gestorben. Ihr Tod ist Anlass, dankbar ihr Wirken für die Ökumene zu würdigen und zugleich zu fragen, wie es denn weitergehen kann mit der Gemeinschaft der Kirchen.

Christine Gleixner hatte Biologie studiert. Erst nach ihrem Studium schlug sie den Weg eines geistlichen Lebens ein. Während eines Aufenthaltes in den Niederlanden trat sie der Gemeinschaft der Frauen von Bethanien bei. Nach ihrer Rückkehr nach Wien übernahm sie vielfältige Aufgaben in ihrer römisch-katholischen Kirche und wurde vor allem zu einer der ganz wichtigen Kräfte in der ökumenischen Bewegung.

Das zweite Vatikanische Konzil, das vor 50 Jahren abgeschlossen wurde, spielte dabei eine entscheidende Rolle. Mit den Beschlüssen dieses Konzils öffnete sich die römisch-katholische Kirche der Ökumene. Das hatte auch seine Auswirkungen auf Österreich. Die römisch-katholische Kirche trat dem Ökumenischen Rat der Kirchen bei, wurde 1994 Vollmitglied und Christine Gleixner später zur langjährigen Vorsitzenden.

In ihre Zeit fielen die Meilensteine, die ich nur in Auswahl nennen kann: Zuerst die Begleitung der KSZE Konferenz, die in Wien stattfand. Dann die Europäischen Ökumenischen Versammlungen, vor allem die im Jahr 1997 in Graz. Weiters das Ökumenische Sozialwort von 2003 und die Mitwirkung der Ökumene durch Oberin Gleixner beim Verfassungskonvent des österreichischen Nationalrates. Die Zusammenarbeit der Kirchen wirkte sich in ihrer Öffnung für Politik und Gesellschaft aus.

Bis zuletzt setzte sie sich ein für den Dialog der Kirchen mit dem Judentum und das interreligiöse Gespräch. Beides war ihr ein besonderes Anliegen.

In den Beziehungen der Kirchen untereinander war sie von einem Grundprinzip geleitet, das sie immer wieder erwähnt hat. Das Gespräch muss auf gleicher Augenhöhe stattfinden. Par cum pari - so hatte es das Konzil formuliert und so wurde es in Österreich umgesetzt. Unabhängig davon, ob eine Kirche groß oder klein, Mehrheit oder Minderheit ist. Dieses Prinzip der gleichen Augenhöhe gilt ohne Einschränkungen.

Freilich wissen wir, dass es bleibende Unterschiede zwischen den Kirchen gibt. Gerade im Verständnis von Kirche und von der angestrebten Einheit der Kirche zeigt sich das deutlich. So kann die römisch-katholische Kirche von den Kirchen der Reformation bis heute nur von "kirchlichen Gemeinschaften" sprechen, die volle gegenseitige Anerkennung als Kirchen steht noch immer aus.

Aber gerade um hier weiterzukommen und Schritte aufeinander zuzugehen ist es notwendig, dass der Dialog auf gleicher Augenhöhe stattfindet. So geschieht gegenseitige Anerkennung faktisch, auch wenn theologisch noch Gräben zu überwinden sind. Durch diese faktisch gelebte gegenseitige Anerkennung, durch Respekt und Wertschätzung der Partnerin im ökumenischen Dialog und in der ökumenischen Gemeinschaft, ist das Miteinander der Kirchen in Österreich geprägt. Das verdanken wir Personen wie Christine Gleixner, die sich dafür unermüdlich eingesetzt haben.

Die Kirchen leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Zusammenleben in einer von Pluralität gekennzeichneten Gesellschaft insgesamt. Niemand muss die eigene Identität aufgeben, niemand steht vor der Forderung oder Erwartung der Assimilation. Gerade deshalb ist das Miteinander, das durch Verschiedenheit, durch Diversität charakterisiert ist, möglich. Traum von homogenen Gemeinschaften und von einer homogenen Gesellschaft, wie er sich etwa in der unbedachten Rede von einem "christlichen Abendland" niederschlägt, ist heutzutage eine Illusion.

Wir müssen lernen, mit der Vielfalt zu leben und wir können es lernen. Die Ökumene in Österreich ist ein Beweis dafür, dass das möglich ist. Wir Evangelische nennen das gerne die Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Statt weiter die Gegensätze zu vertiefen und ein vermeintliches "Wir" gegen die "Anderen" in Stellung zu bringen, kommt es darauf an, die Verschiedenheit nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu sehen. Sie lässt sich leben auf der Grundlage der Menschenrechte und der Religionsfreiheit. Menschen wie Christine Gleixner haben sich für ein solches Zusammenleben eingesetzt. Ihr und allen, die es ihr gleich tun, daher aus evangelischem Mund ein großes Dankeschön.

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