Gedanken für den Tag

von Hubert Feichtlbauer, Publizist. Zum 100. Geburtstag des Kulturphilosophen Friedrich Heer. Gestaltung: Alexandra Mantler

Gottes erste Liebe

"Gottes erste Liebe": Das war der originellste, der stärkste Buchtitel in Friedrich Heers Gesamtwerk und er bedeutet: Es war kein Zufall, dass Gott zuerst das kleine Volk der Juden mit der Verbreitung seiner Botschaft betraut und den Bund mit einem Vertrag geschützt hat, der niemals aufgehoben worden ist. Mit der Erfahrung der Shoah in Gewissen und Herz gebrannt, klagte der Wiener Kulturphilosoph Friedrich Heer 1967:

"Millionen Menschen glauben existentiell nicht an das Heil aus dem Juden Jesus. Millionen Christenmenschen sind Angstneuerotiker, nicht nur in deutschen Landen. Dieses angstbesessene Christentum konnte sich selbst nicht verteidigen und konnte und wollte nicht verhindern, dass der Sündenbock geschlachtet, dass der Jude zwischen Kreuz und Hakenkreuz zermalmt wurde."

Das war zwei Jahre nach dem großen Schwenk der katholischen Kirche in der Definition ihres Verhältnisses zum Judentum. Aber der Weg vom Verstehen und Achten der Rolle der Juden, den alle Päpste seither beschritten haben, bis zu einem fruchtbaren Dialog, auf Ergebnisse zielenden Dialog mit ihnen, erweist sich - erwartungsgemäß - als sehr steinig und sehr lang.

Als Kern der Tragödie hat Heer Roms kurzsichtige, falsche Verhandlungsstrategie entlarvt: Solange der Nationalsozialismus sich nicht offiziell kirchenfeindlich gibt, sagte man, bekämpfen wir ihn nicht und handeln einen modus vivendi aus: Im Wesentlichen sind das Sicherung von Religionsunterricht und Geld. Dabei bleiben die meisten Menschenrechte auf der Strecke - für alle Nichtkatholiken. Aber für die Katholiken auch!

Eine logische Lehre, bei deren konsequenter Beherzigung die Kirche in Diktaturen sowieso und, ja, auch in Demokratien bis heute Nachholbedarf hat.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160407 Gedanken für den Tag / Hubert Feichtlbauer
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Ludwig van Beethoven/1770 - 1827
Titel: Sonate für Klavier Nr.14 in cis-moll op.27 Nr.2
* Allegretto - 2.Satz (00:02:28)
Populartitel: Mondscheinsonate
Klaviersonate
Solist/Solistin: Emil Gilels /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: DG 4000362

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