Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Paradigmenwechsel in der Krebstherapie?!


Über Jahrzehnte hinweg wurden die meisten Krebserkrankungen durch die drei Ansätze Operation, Bestrahlung und Chemotherapie behandelt. Das Ziel war klar: Der Tumor muss zerstört werden. Die Erfolge waren bei vielen der häufigen Krebsarten nicht gerade sensationell.
Kurz nach der Jahrtausendwende war ein neues, weniger kriegerisch anmutendes Prinzip einsatzbereit. Die sogenannten Angiogenese-Hemmer sollten den Tumoren die überlebenswichtige Blutversorgung erschweren. Die dafür entwickelten Moleküle setzen sich auf den von den Krebszellen gebildeten Blutgefäßwachstumsfaktor und blockieren diesen. Auf die Weise wird verhindert, dass neu gebildete Gefäße den Tumor mit Blut und Nährstoffen versorgen.
Damit schlug die Stunde der Antikörper. Eine weitere Strategie war es, solche kleinen Moleküle dazu zu verwenden, um Krebszellen für den Körper wieder erkennbar zu machen und somit eine Immunreaktion gegen die bösartige Neubildung auszulösen. Der Antikörper Rituximab zum Beispiel ist in der Lage, die bei Non-Hodgkin-Lymphomen entarteten B-Lymphozyten zu markieren und diese somit dem Immunsystem zu präsentieren. Auch der gegen bestimmte Brustkrebsarten eingesetzte Antikörper Trastuzumab funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Er richtet sich gegen den HER-2-Rezeptor auf den Brustkrebszellen und blockiert somit die Wachstumssignale.
Nach einem ähnlichen Wirkungsmuster arbeiten auch die sogenannten Signaltransduktionsinhibitoren. Auf sehr ausgeklügelte Weise greifen diese Medikamente in die Wachstumssignale von entarteten Zellen ein und unterbinden die weitere Tumorentwicklung.
Auch die Gruppe der Tyrosinkinase-Hemmer setzt bei den Wachstumsbefehlen der Krebszellen an. Wird die Tyrosinkinase blockiert, wird damit das Wachstum der bösartigen Zellen unterbunden. Alle bisher aufgezeigten Wege fokussieren auf die Krebszelle. Obwohl sie oft sehr klug konzipiert sind, war ihnen der durchschlagende Erfolg im Kampf gegen Krebs bisher nicht vergönnt. In vielen Fällen wurde das Leben der Betroffenen verlängert, echte Heilungen oder völliger Stillstand der Erkrankung konnten nur selten erreicht werden.
Seit wenigen Jahren bahnt sich eine völlig neue Therapiestrategie an - wir haben im Oktober 2015 erstmals darüber berichtet - die sogenannte Immuntherapie. Es gab in den vergangenen Jahrzehnten mehrere, nicht geglückte Versuche, das Abwehrsystem zum Kampf gegen die entarteten Zellen zu bewegen. Interferone, Interleukine, manipulierte T-Zellen, etc. - das schienen viel versprechende Ansätze zu sein. Sie alle enttäuschten. Bis dann der erste Checkpoint-Inhibitor Ipilimumab 2011 gegen das Melanom zugelassen wurde. Er bindet an ein Protein namens CTLA-4 und blockiert dessen Wirkung. CTLA-4 reguliert die Intensität der Antwort des Immunsystems gegen Krebszellen nach unten. Wird es "aus dem Spiel genommen", so sind die T-Zellen in der Lage den Krebs zu attackieren.
Nun steht also nicht mehr die Krebszelle im Mittelpunkt der Bemühungen, sondern das Immunsystem des Menschen. Denn an sich gut funktionierende Abwehrmechanismen versagen bei den meisten bösartigen Neubildungen. Diese legen bildhaft gesprochen den gegen sie gerichteten Abwehrstrategien Zügel an, "bremsen das Immunsystem aus". Und nun wird versucht, diese Abwehrpotentiale wieder "scharf zu machen".
Dazu werden antikörperbasierte Medikamente (monoklonale PD 1-Antikörper) in den Körper eingebracht. Die Methode erweist sich bei mehreren Krebsformen als wirksamer und auch schonender, als die herkömmlichen Chemotherapien und wird nun bereits in Österreichs Krankenhäusern eingesetzt.
Diesmal informiert Sie Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger über die wechselhaft-erfolgreiche Geschichte der Krebstherapien und analysiert die Möglichkeiten und Grenzen der Immuntherapie in diesem Feld.

Redaktion: Dr. Christoph Leprich.

Service

Studiogast im Funkhaus Wien:
Dr. Thomas Felzmann, MBA, Geschäftsführer Activartis Biotech GmbH, Privatdozent für Immunologie, Medizinische Universität Wien, Buchautor "Krebs - "Wer bist Du und wohin gehst du?"
Activartis Biotech GmbH
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Studiogast im LS Salzburg:
Priv.-Doz.in OA Dr.in Brigitte Mlineritsch, Fachärztin für Innere Medizin und Fachärztin für Hämato-Onkologie
Landeskrankenhaus Salzburg, Universitätsklinik für Innere Medizin III
Müllner Hauptstraße 48
A-5020 Salzburg
Tel.: +43 (0)662-4482 2881
Fax: +43 (0)662-4482 2849
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Weitere Anlaufstellen und Info-Links:
Artikel zum Thema Immuntherapie von unserem Sendungsgast OA Dr.in Brigitte Mlineritsch: Die Seiten 21 bis 24
Zielgerichtete Krebstherapien
Initiative "Leben mit Krebs" - viele Informationen zum Thema Immuntherapie
Vortrag zum Thema Immuntherapie
Blaue Ratgeber der deutschen Krebshilfe
Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie
Österreichische Krebshilfe

Infos zur personalisierten Krebsmedizin

"Die Welt" zu neuen Krebstherapien

Buch-Tipps:

Thomas Felzmann
Krebs: Wer bist du & wohin gehst du?
Verlag: Facultas / Maudrich;
ISBN-13: 978-3990020159

Francis S. Collins
Meine Gene - mein Leben: Auf dem Weg zur personalisierten Medizin
Spektrum Akademischer Verlag 2011
ISBN-13: 978-3827427779

Siddhartha Mukherjee
Der König aller Krankheiten: Krebs - eine Biografie
DuMont Buchverlag 2015
ISBN-13: 978-3832162320

Martin Bleif
Krebs: Die unsterbliche Krankheit
Verlag Klett-Cotta 2015
ISBN-13: 978-3608945942

David Servan-Schreiber
Das Antikrebs-Buch: Was uns schützt: Vorbeugen und Nachsorgen mit natürlichen Mitteln
Goldmann Verlag 2012
ISBN-13: 978-3442155583

Sarah Majorczyk und über 60 Experten der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe
Das Handbuch gegen Krebs
ZS Verlag 2014
ISBN-13: 978-3898834483

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