Praxis Spezial

Rio - im Schatten von Olympia. Gestaltung: Alexandra Mantler

Am 5. August werden in Rio de Janeiro, der zweitgrößten Stadt Brasiliens, die Olympischen Spiele 2016 eröffnet. Darum wiederholen wir im Rahmen der Praxis-Sommerserie "Das Beste zum Wiederhören" eine Reportage aus Rio. Denn das sportliche Mega-Event hat auch Schattenseiten. Zu den Verlierern der Spiele zählen etwa die Fischer und Fischerinnen in der Guanabara Bucht, in der die olympischen Segelbewerbe stattfinden werden. Seit Jahren kämpfen sie gegen die Verschmutzung ihrer Bucht durch große Ölkonzerne. Durch die Olympischen Spiele sehen sie sich noch weiter an den Rand gedrängt.

"Bald geht es los mit den Olympischen Spielen und wir haben schon mitbekommen, dass diese Bucht zweigeteilt wurde", erzählt der Fischer Alexandro Anderson. "Der erste Teil der Bucht von der Brücke bis zur Mitte, dort werden die Segler sein und es wird schon versucht, die Bucht ein bisschen zu säubern, schön zu schminken, aber der zweite Teil, wo wir hier sind, am Ende der Bucht, da werfen sie den ganzen Dreck herein."

In der 380 Quadratkilometer großen Guanabara-Bucht liegt das olympische Segelrevier. Die Behebung von enormen Umweltschäden, die vor allem durch jahrzehntelanges Einleiten ungeklärter Abwässer verursacht wurden, war eigentlich ein zentrales Versprechen der Stadtverwaltung bei der Vergabe der Olympischen Spiele. Schon vor einem Jahr hatte die Umweltministerin des Bundesstaates Rio in einem Brief an den Sportminister eingeräumt, dass die Verschmutzung der Bucht höchstens um 50 Prozent reduziert werden könne - nicht wie ursprünglich versprochen um 80 Prozent.

Marcelo Firpo, Wissenschaftler an der Nationalen Schule für öffentliche Gesundheit in Brasilien, kritisiert: "Es gab vielleicht ein paar Verbesserungen, aber nicht genug. Die geplanten Investitionen in die Verbesserung der sanitären Situation sind nicht so hoch ausgefallen, wie sie eigentlich versprochen waren."

Der Fischer Alexandro Anderson und seine Kollegen fahren seit Jahren mit ihren kleinen Fischerbooten Patrouille in der Guanabara-Bucht und dokumentieren Umweltvergehen durch die Öl- und Gas-Aktivitäten der großen Konzerne. Ein Engagement, für das die Fischer einen hohen Preis bezahlen. Ihr Büro, drei Kilometer vom Dorf entfernt, könnten sie derzeit nicht benützen, denn dort sei es schon zu vielen "Zwischenfällen" gekommen: "Bedrohungen und fünf Todesfälle hat es schon gegeben, auf mich selbst wurden sechs Anschläge verübt. Meine Frau und ich sind in einem Zeugen-Schutzprogramm. Seit Jahren leben wir unter Polizeibewachung", erzählt Alexandro Anderson.

Seine Frau Daizy ist hier im Dorf aufgewachsen, ihr Vater war Fischer, ihr Bruder ebenso und nun sei sie auch selbst im Fischfang tätig: "Wir Fischerfrauen müssen heute auch voll mitarbeiten, selbst hinausfahren, weil der Fang der Männer einfach nicht ausreicht, um die Familie zu ernähren."

Der Ertrag aus der Fischerei sei in den letzten 20 Jahren um ganze 80 Prozent zurückgegangen und die Fische, die noch gefangen werden, seien verseucht von den Abwässern und Schwermetallen. "Ich bin Mitglied in der nationalen Vereinigung der Fischerfrauen", erzählt Daizy Anderson, "Dort habe ich erst vor kurzem einen Bericht vorgestellt, dass die Gebärmutterkrebsrate bei den Frauen hier so stark angestiegen ist."

Der Sohn von Daizy und Alexandro Anderson ist 27 Jahre alt. Weil er, wie so viele andere, keinen anderen Job gefunden hat, arbeitet auch er als Fischer. Aber Perspektive sei das keine, meint seine Mutter traurig: "Die Guanabara-Bucht hat keine Zukunft - für niemanden."
"Menschenrechte sind olympisch" ist eine Aktion der Dreikönigsaktion, dem Hilfswerk der katholischen Jungschar in Kooperation mit dem Vernetzungsprojekt Nosso Jogo. Dabei sollen Menschenrechtsverletzungen aufgezeigt werden, die im Namen der Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro passieren: von Vertreibungen von Favela-Bewohnern bis zu Gewalt gegen Straßenkinder.

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Nosso Jogo - Initiative für globales Fair Play

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