Gedanken für den Tag

von Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien. "Worauf es ankommt". Gestaltung: Alexandra Mantler

Freiwilliges Engagement

Ich hab Cornelius heute vor einem Jahr am Wiener Westbahnhof kennengelernt. Wie sehr viele andere kam auch er, um freiwillig in diesen intensiven Herbsttagen am Bahnsteig 1 zu helfen.

Zuvor arbeitete er als Investment-Banker in London. Und nun stand er da. Den Anzug gegen eine rote Caritas-Jacke getauscht. Bahnsteig 1 statt Londoner Bankenviertel. Lebensmittel ausgeben und Kleider sortieren statt Börsenkurse und Aktienoptionen.

Oder Kathi, die junge Studentin, die wochenlang den Info Desk beim Sachspendenlager geschupft hat. Sie war immer freundlich, schenkte jedem ein Lächeln und gab wichtige Informationen weiter. Ich bin überzeugt: Cornelius und Kathi und sind nicht die Ausnahme. Sie sind Teil einer lebendigen Zivilgesellschaft in unserem Land.

Zwei von hunderttausenden Menschen in ganz Österreich, die sich freiwillig engagieren. Mitunter seit sehr vielen Jahren und an sehr vielen unterschiedlichen Orten. Bei Hilfsorganisationen wie der Caritas. Bei der freiwilligen Feuerwehr. In Sport- oder Musikvereinen. In Pfarren oder ganz einfach in der Nachbarschaft.

Diese Menschen betreuen von Demenz betroffene Menschen. Sie sind rund um die Uhr in Alarmbereitschaft, wenn es brennt. Sie geben Kindern Nachhilfe, sie verteilen Essen an Obdachlose oder sie sind da, wenn nach einem Hochwasser tausende Keller ausgepumpt werden müssen.

Sie alle spenden das Wertvollste, das sie besitzen: Einen Teil ihrer Zeit. Sie tun dies, weil sie spüren, dass zu einer gelebten Demokratie mehr gehört als das Jammern am Stammtisch oder die eigene Stimmabgabe bei der nächsten Wahl. Diese Menschen verlassen ihre persönliche Komfortzone und stärken das Vertrauen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Diese Entschiedenheit in der Hilfe macht mir Mut, weil ich weiß, dass Solidarität und Nächstenliebe hochgradig ansteckend sein können - im positiven Sinn. Denn der Versuch, einem anderen zu helfen, ist nicht zuletzt auch Ausdruck unseres je eigenen Menschseins, Ausdruck unserer eigenen Würde. Ohne ein Du wird keiner zum Ich.

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Titel: GFT 160920 Gedanken für den Tag / Klaus Schwertner
Länge: 03:49 min

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