Gedanken für den Tag

23. September 2016, 06:56

Europa - die "Familie von Völkern"

Als das Projekt Europa nach dem Krieg geboren wurde, war ich noch nicht auf der Welt.

Auch dann nicht als der deutsche Bundeskanzler Adenauer sagte, dass die Einheit Europas ein Traum von wenigen war; dass sie eine Hoffnung für viele wurde und dass diese Einheit heute eine Notwendigkeit für uns alle ist.

Als die Mauer fiel war ich 12, als Österreich der EU beitrat gerade 18 Jahre alt. Ich erinnere mich an die Jubelchöre im Fernsehen als die verschiedenen Länder endlich Teil dessen wurden, was Papst Franziskus jüngst eine "Familie von Völkern" beschrieben hat. Menschen, für die die EU-Grundrechtecharta zum ersehnten Versprechen geworden war. Eine Union, die sich "auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität" gründet.

Und dennoch: Heute bestimmen nationale Alleingänge und Kraftmeierei die Debatte. So sehr, dass Kardinal Schönborn jüngst gar davor warnte, die Europäische Einigung dürfe nicht zurückbuchstabiert werden.

Ja, auch ich weiß, dass dieses Europa nicht vollkommen ist. Dass es wichtige Antworten schuldig bleibt. Kinderarmut in Rumänien. Dramatische Jugendarbeitslosigkeit in Spanien. Eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich auch bei uns in Österreich. Ich begegne diesen Schattenseiten in meiner täglichen Arbeit: In Obdachlosenhäusern, beim Suppenbus oder in den pfarrlichen Wärmestuben.

Und dennoch glaube ich an Europa, weil ich an all diesen Orten und im Kleinen erfahre, dass eine Verbesserung zum Guten möglich ist. Weil ich mir wünsche, dass auch meine Kinder in einem vereinten Europa leben, das bis heute das mutigste Friedensprojekt der Geschichte ist.

Ich bin überzeugt: Der Traum einer Solidaritätsunion, der einst von einigen wenigen geträumt wurde, muss und kann für möglichst alle Menschen dieses Kontinents Wirklichkeit werden - überall dort, wo Menschen in Not geraten sind. Auch hier bei uns in Österreich. Zusammenhalt und Zuversicht! Das hat unser Land in den letzten Jahrzehnten groß gemacht. Diesen Weg sollten wir nun auch in Europa gehen.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler