Zwischenruf

von Pfarrer Roland Werneck (Wels, OÖ)

Sprache macht Stimmung

Wir leben in Zeiten, in denen mit dem gezielten Einsatz sprachlicher Begriffe Stimmung gemacht wird. Der so genannte "Gutmensch" wurde schon vor längerer Zeit zum Schimpfwort. Menschen, die sich für Humanität, Solidarität und soziale Gerechtigkeit einsetzen, sollen so als naiv und weltfremd dargestellt werden.

Und wer hätte sich vor zwei Jahren gedacht, dass das Wort "Willkommenskultur" eine ähnliche Karriere machen wird? Ursprünglich steht es ja für Offenheit, Toleranz und Wertschätzung. Heute wird es im öffentlichen Diskurs zunehmend ironisch und negativ verwendet. Aber wer heute die Willkommenskultur in hämischer Weise verspottet, qualifiziert die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft ab - bewusst oder unbewusst. Mit der Sprache wird Stimmung gemacht.

"Völkisch" - ein Kampfbegriff

Vor kurzem hat eine deutsche Politikerin mit der Forderung aufhorchen lassen, den Begriff "völkisch" wieder positiv zu besetzen. Völkisch. Dieser Begriff taucht in der deutschen Literatur das erste Mal zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. In der Romantik und im deutschen Idealismus ist das "Volk" kein staatspolitischer Begriff, sondern so etwas wie eine göttlich erschaffene Idee. Dem Volk wird eine geistliche und religiöse Qualität zugesprochen. Nach Johann Gottlieb Fichte kann der einzelne Mensch nur in und mit seinem Volk seine Eigentlichkeit gewinnen. Und für Fichte ist das deutsche Volk die Nation, die mit ihren völkischen Eigenschaften das göttliche Schöpfungsgesetz am reinsten bewahrt und entwickelt hat.

Schon damals gab es einen direkten Zusammenhang zwischen der Verwendung des Begriffes "völkisch" und der Herabsetzung alles Fremden, besonders alles Jüdischen. Fichte berief sich in seinen Schriften immer wieder auf das Alte Testament, aber er wollte den biblischen Gedanken der "Erwählung" dem Volk Israel wegnehmen und auf das deutsche Volk übertragen. So wurde bei vielen deutschen Denkern im 19. Jahrhundert aus dem biblischen Gott Israels ein deutscher Nationalgott, ein völkischer Gott, ein Kriegsgott. Ernst Moritz Arndt dichtete das Lied: "Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte". Später, um die Wende zum 20. Jahrhundert, taucht das Wort "völkisch" immer öfter in der Literatur auf.

Kirchen lernen aus der Geschichte

Auch die evangelische Kirche war damals für diese Ideen anfällig. Verstärkt wurde in ihr der Ruf nach einem sogenannten "deutsch-völkischem Christentum" laut, das von allen jüdischen Elementen gereinigt werden soll.

In Österreich wurde die so genannte "alldeutsche Bewegung" des Georg Ritter von Schönerer populär. Eine ihrer Parolen lautete: "Ohne Juda, ohne Rom, bauen wir Germaniens Dom!" Schönerer selbst trat zum Protestantismus über, weil er dachte, dort Anhänger seiner Ideologie zu finden.

Der Begriff "völkisch" ist also nicht einfach ein neutrales Adjektiv zum "Volk", er ist durch seine Geschichte klar besetzt: Er ist deutsch-nationalistisch, rassistisch und antisemitisch. Wer heute noch oder wieder "völkisch" sagt, tut dies nicht zufällig. Sprache macht Stimmung: in diesem Fall gegen die pluralistische Demokratie und ihre humanistischen Werte.

Die evangelischen Kirchen haben aus der Geschichte gelernt. Sie setzen sich heute für die allgemeinen Menschenrechte und die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen und Religionen ein. Das christliche Glaubensbekenntnis ist eindeutig: Der Gott, von dem in der Bibel die Rede ist, ist kein völkischer, sondern ein universaler Gott. Im Namen dieses Gottes dürfen nie mehr andere Menschen verachtet und Kriege geführt werden!

Beim Propheten Jeremia heißt es im 29. Kapitel: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.

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