Oliver Tanzer

LUKAS BECK

Gedanken für den Tag

von Oliver Tanzer, Autor und Leiter des Wirtschaftsressorts der Wochenzeitung "Die Furche". "Das Böse und das Geld" - Eine Reise zu den gar fürchterlichen Schattenseiten des Kapitals in Legenden, Dichtung und religiöser Wahrheit - und wie sie unsere Wirklichkeit prägen. Gestaltung: Alexandra Mantler

Wenn der Teufel lacht - Wir und das Böse

Über viele unserer Redewendungen denken wir meist wenig nach. So sagen wir etwa zu einem Menschen, dem es schlecht geht, weil er etwa um sieben Uhr früh aufstehen muss, er sei ein armer Teufel.

Arm das ist nachvollziehbar. Aber warum Teufel? Warum soll der Arme ein Teufel sein oder umgekehrt, warum ist der Teufel arm? Das ergibt erst dann einen Sinn, wenn man den Teufel nicht als dunkle Macht sieht sondern als einen Verfluchten. Und tatsächlich ist es da zum Erbarmen mit ihm. Nicht nur theologisch, auch ökonomisch. Er ist das einzige himmlische oder himmlisch/höllische Geschöpf, das ununterbrochen arbeiten muss, geradeso wie der Mensch im wirtschaftlichen Wachstumszwang. Immer müht er sich, der guten Schöpfung sozusagen etwas abzuzwacken, das eine oder andere Seelchen.

Immer muss er ganz individuell vorgehen, jedem Menschen persönlich als Dienstleister erscheinen, und maßgeschneiderte Angebote unterbreiten. Etwa "Ich bau dir dein Haus", oder "Ich geb dir Gold und Macht". Der Teufel ist der erste Dienstleister, seit er Adam und Eva im Garten Eden verführt hat. Und er kämpft seither hart. Er muss sich Nachfrage schaffen. Denn sonst bekommt er ja nur jene Personen, die die anderen Menschen los werden wollen, unter dem Motto: "Ach hol ihn doch der Teufel".

Gott hingegen? Ein Monopolist geradezu. Unumschränkter Herrscher über die Schöpfung. Und wer kontrolliert sein Werk? In der hebräischen Tradition tritt Satan nicht als gefallener Engel auf, sondern als Ankläger, der Gott beigeordnet ist, ihm widerspricht und seine Schöpfung kritisiert. Wäre der Himmel also ein Unternehmen, der Teufel wäre unverzichtbar. Er würde die Qualitätskontrolle leiten. In dieser Art: "Wie gut ist denn dein hochgelobter Herr Hiob eigentlich, auf den du so stolz bist, o Gott?"

In unseren modernen Mythen prüft das Böse nicht mehr und es kritisiert auch nicht mehr. Es produziert Maschinen und entseelte Kreaturen zur Weltvernichtung. Als Sauron von Mordor in "Herr der Ringe"; als Darth Vader in "Star Wars". Der Satan arbeitet hier systematisch und industriell. Er ist selbst zur Maschine geworden.

Und in der Wirklichkeit? Da bleibt das Böse meist menschlich und dumm, ist dafür aber brandgefährlich und hochpolitisch: Je schlechter die Zeiten, so hat man den Eindruck, desto schwärzer wird das Böse im Gegner gemalt und desto hässlicher erfolgt seine Abwertung. Soeben geschehen erfolgreich in den USA. Und die entscheidende Frage heute: Muss es wirklich ganz schlimm kommen, mit Krisen und Kämpfen und Kriegen, damit die Dinge wieder etwas weniger in Feindbildern geordnet werden? Nicht mehr schwarz oder weiß, sondern mit Grautönen durchmischt und realistischer. Aber bis es soweit ist, hat das, was wir den Teufel nennen, meist schon viel zu viel gelacht.

Service

Tomas Sedlacek und Oliver Tanzer, "Lilith und die Dämonen des Kapitals", Hanser Literaturverlage

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 161114 Gedanken für den Tag / Oliver Tanzer
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Bill Giant
Komponist/Komponistin: Bernie Baum
Komponist/Komponistin: Florence Kaye
Album: ELVIS 80 - THE KING OF LOVE
Titel: You're the devil in disguise
Textanfang: You look like an angel walk like an angel talk like an angel
Solist/Solistin: Elvis Presley /Gesang
Länge: 02:00 min
Label: Sony 88875044482

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