Frau tippt auf dem Handy

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

doublecheck - das Ö1 Medienmagazin

Hass im Netz: Wie gut helfen Gesetze?

Was kann die Politik tun, um Hass im Netz zu bekämpfen? Deutschland hat als erstes europäisches Land ein Gesetz verabschiedet, dass strenge Strafen für soziale Netzwerke wie Facebook vorsieht, wenn sie illegale Inhalte nicht schnell genug vom Netz nehmen. Österreichs will diesen Weg noch nicht gehen. Justizminister Wolfgang Brandstetter und Staatssekretärin Muna Duzdar setzen auf Druck und Dialog mit Facebook & Co. und auf Opferberatung. Aber sind für die Internetriesen Druck und Gesetze nichts anderes als eine Risikokalkulation in ihrem Geschäftsmodell? - Gestaltung: Nadja Hahn, Stefan Kappacher

"Wir sind nicht die Schiedsrichter über die Wahrheit"

"Wir sind nicht die Schiedsrichter über die Wahrheit, das kann auch niemand wollen, aber wir arbeiten mit Experten und der Politik daran, dass unser Ökosystem ein gesundes ist", sagt etwa Richard Gingras, der Chef von Google News auf einem Medienkongress in Wien.
Facebook und Google betonen, sie wollen Hass im Netz bekämpfen. Aber sie wollen nicht entscheiden, welche Dinge im Netz gesagt werden dürfen und welche nicht - sie sagen, sie stellen nur die Infrastruktur für den freien Meinungsaustausch im Netz zur Verfügung.


Deutschland geht vor

Deutschland macht jetzt Druck, nachdem Hasspostings im Zuge der Flüchtlingskrise rasant zugenommen haben. Als erstes europäisches Land hat es ein Gesetz gegen Hass im Netz verabschiedet: Wenn soziale Netzwerke illegale Inhalte nicht rechtzeitig löschen, drohen Strafen bis zu 50 Millionen Euro. Das Gesetz hat eine riesige Debatte angestoßen. Die größte Befürchtung: Die Internetkonzerne könnten, um Strafen zu vermeiden, zu viel löschen, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr.


"Unsere Gesetze sind gut und ausreichend"

"Unsere Gesetze sind gut und ausreichend", sagt etwa die für Digitalisierung zuständige Staatssekretärin Muna Duzdar. Sie ist erst vor kurzen zu Facebook und Google nach Dublin gereist, um bei den Unternehmen persönlich Druck zu machen. Die von ihr für Sommer angekündigte Meldestelle für Hass im Netz kommt erst im September. Duzdar geht davon aus, dass diese dafür sorgen wird, dass Facebook beanstandete Postings schneller löscht. Auch Justizminister Wolfgang Brandstetter will keine neuen Gesetze, er will auf eine europäische Lösung warten. Er hat außerdem im Jänner fünf Staatsanwälte angekündigt, die sich auf Hasskriminalität spezialisieren sollen, die gibt es noch nicht und sie werden heuer auch nicht mehr kommen, sagt der Minister.


"Die Zensur wird privatisiert"

Der deutsche Vorstoß sei zwar extrem, sagt die Internetexpertin Ingrid Brodnig, aber "Deutschland zeigt den großen Plattformen, dass die Geduld sich zu Ende neigt". Ein erster Schritt in Richtung Gesetzgebung um Hass im Netz zu bekämpfen, sollte eine Transparenzpflicht sein, also dass die Internetriesen melden müssen, wie viele Postings gemeldet und gelöscht werden. Ein prominenter Gegner des deutschen Gesetzes ist der renommierte Historiker Timothy Garton Ash von der Universität in Oxford, er sagt es sei eine Gefahr für die Demokratie, weil die Konzerne entscheiden würden, was im Netz gesagt werden darf und was nicht. "Die Zensur wird privatisiert. Aber diese private Zensur ist nicht transparent und nicht einklagbar."


Alles nur Business?

Welches Interesse haben Facebook und Google eigentlich, an ihrem Geschäftsmodell etwas zu verändern? Denn die großen Emotionen sind ja auch ein großes Geschäft, jeder Click bringt Werbedollar. "Die Unternehmen überlegen sich, wie viel würde es mich kosten wenn ich das alles rausfiltere, wie hoch sind die Strafen, wie teuer ist die Gerichtsverhandlung, wie oft werden wir überhaupt verklagt, das ist alles eine Risikoberechnung in einem Businessplan", sagt der Jurist Max Schrems, der mit seiner Klage gegen Facebook international für Aufsehen gesorgt hat.

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