Wolfgang Brandstetter

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Hass im Netz

Warten auf Staatsanwälte

Beleidigungen, Verleumdungen, Verhetzung. Facebook und Google sind voll davon. Betroffene warten oft zu lange oder vergebens, dass Postings gelöscht werden. Deutschland plant nun strenge Gesetze mit hohen Geldstrafen für soziale Netzwerke. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) finden Österreichs Gesetze ausreichend, sie setzen lieber auf Dialog mit dem Plattformen und auf Opferberatung. Aber ihr Kampf läuft schleppend an: Fünf versprochene Staatsanwälte kommen heuer nicht mehr, die Meldestelle für Hasspostings kommt erst im Herbst.

Österreich hat Gesetze gegen üble Nachrede, Beleidigung, Verhetzung, Gefährliche Drohung oder Cyber-Mobbing oder das Verbotsgesetz, aber die Gesetze kommen aber oft nicht zur Anwendung, kritisieren Medienjuristen, wie etwa die Anwältin von Ex-Grünen Chefin Eva Glawischnig, selbst Opfer von Hassrede im Netz. Mit Hilfe der Grünen bringt Glawischnig die Fälle vor Gericht.

Heuer nicht mehr

Damit die bestehenden Gesetze besser umgesetzt werden können, hat Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) im Jänner fünf neue Staatsanwälte angekündigt, die sich auf Hasskriminalität im Netz spezialisieren sollen. Das soll helfen, das Bewusstsein für solche Fälle zu schärfen. Aber es gibt die fünf Staatsanwälte noch immer nicht und sie werden heuer wohl auch nicht mehr kommen, sagt der Minister. Das Budget dafür sei noch nicht da. "Aber das Hauptproblem ist, sie müssen den Stellenplan des Bundes ändern und das bedeutet eine Gesetzesänderung, das ist sich bis jetzt noch nicht ausgegangen“, so Brandstetter. Angesichts der kommenden Wahl im Oktober glaube er "eher nicht, dass sich das heuer noch ausgeht".

Muna Duzdar

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Muna Duzdar

Das Bundeskanzleramt sei zuständig, so der Minister. Die dort zuständige Staatssekretärin für Digitales, Muna Duzdar (SPÖ), sagt die zusätzlichen Stellen seien schon freigegeben, aber das Budget dafür noch nicht. Im Herbst will sie dafür einen neuen Anlauf starten.

Die Meldestelle kommt auch später

Eigentlich wollte Brandstetter, dass die spezialisierten Staatsanwälte ihre Arbeit aufnehmen, wenn auch die von Duzdar angekündigte Meldestelle für Hasspostings startet. Sie war für Sommer angekündigt, soll aber erst im September starten, so Duzdar. Betroffene können sich von fünf Personen psychologischen, pädagogischen und juristischen Rat holen. Die Meldestelle soll auch einen direkten Draht zu Facebook haben, dadurch sollen Postings schneller vom Netz genommen werden können.

"Gesetze sind ausreichend"

Deutschland, das vor Kurzem als erstes europäisches Land ein Gesetz beschlossen hat, das hohe Strafen für soziale Netzwerke vorsieht, wenn sie illegale Postings nicht rechtzeitig vom Netz nehmen, ist für Brandstetter kein Vorbild. "Ich bin immer noch der Meinung, dass es besser ist, dieses Problem auf europäischer Ebene zu lösen." Dieser Meinung ist auch Duzdar, die ja auch Juristin ist. Sie sagt: "Unsere Gesetze sind gut und ausreichend." Opferberatung durch die Meldestelle sei ein erster Schritt, sagt Duzdar, ein zweiter der Dialog mit den Netzwerken, etwa um mehr Transparenz beim Löschen zu erreichen.

Laut Brandstetter funktioniert die Zusammenarbeit mit Facebook auch ohne Gesetz. "Wir haben mit Facebook eine Vereinbarung getroffen. Wenn eine staatsanwaltschaftliche Behörde Facebook darauf aufmerksam macht, dass es hier strafrechtlich relevante Inhalte gibt, dann sind die zu entfernen, und zwar im Regelfall binnen 24 Stunden." Dafür gebe es einen speziellen Kommunikationskanal mit Facebook.


Lücken im Cyber-Mobbing-Paragraph

Die Grünen sehen das anders. Sie fordern, dass der Cyber-Mobbing-Paragraph ausgeweitet wird. Er ist seit 2016 in Kraft und zeige Lücken, sagt Mediensprecher Dieter Brosz. Zwei Bereiche sollen dazu kommen: Bestraft werden soll auch wenn jemand auf Social Media Gewalt gutheißt oder sexualisierte Beleidigungen. Konkreter Anlass: Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig wurde auf Facbeook als "Polit-Hure" beschimpft, die Staatsanwaltschaft Linz entschied aber, dass der Cyber-Mobbing-Paragraph hier nicht zur Anwendung kommt. Es gab keine Ermittlungen, kritisiert Brosz. Damit würde man solchen Postern einen Freibrief geben.

Außerdem wäre Betroffenen von extremen Beschimpfungen auch finanziell geholfen. Denn bis jetzt müssen sie als Privatpersonen Klage einbringen und tragen auch das finanzielle Risiko. Würde die Staatsanwaltschaft solche Fälle übernehmen, würde sie auch die Kosten übernehmen, sagt etwa Glawischnig Anwältin Maria Windhager. Privatpersonen könnten Kosten von mehreren Tausend Euro entstehen. "Wer tut sich das an?", fragt Windhager.

Die Grünen wiederholen ihre Forderung aus dem Frühjahr, sie haben schon einen Gesetzesantrag dafür eingebracht, seien aber beim Minister bisher nicht auf Verständnis gestoßen und der sagt auch im #doublecheck-Interview: "Wenn man mir sagt, da gibt es Schwachstellen, auch nach Inkrafttreten der verschärften Regelungen im Verhetzungstatbestand und Cyber-Mobbing, dann können wir gerne darüber diskutieren. Derzeit sehe ich das noch nicht."

Facebook kein Medienunternehmen

Immer wieder fordern Politiker, darunter Medienminister Thomas Drozda (SPÖ), dass Facebook und andere soziale Netzwerke nach dem Medienrecht für ihre Inhalte zur Verantwortung gezogen werden. Damit komme man nicht weit, sagt etwa Internetexpertin Ingrid Brodnig. Facebook sei kein Medienunternehmen.

Ingrid Brodnig

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Ingrid Brodnig

"Facebook schreibt ja die Hasspostings nicht selbst. Das sind die User. Auch Medien müssen nur für die Inhalte, die sie selbst geschrieben haben, geradestehen." Solche Forderungen würden zeigen, dass wir uns in einer Übergangsphase befänden, wo uns noch die richtigen Worte fehlen, für das, was geschehe, sagt Brodnig.

Transparenzpflicht als erster Schritt

Auch Brodnig sieht das deutsche Gesetz mit den hohen Geldstrafen skeptisch, soziale Netzwerke könnten aus Angst vor den Strafen zu viel löschen, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr. Für sie wäre eine gesetzliche Transparenzpflicht ein erster Schritt, also dass soziale Netzwerke in der EU ausweisen müssen, wie viele illegale Postings gemeldet werden und wie viele tatsächlich gelöscht werden. "Wir befinden uns hier im Blindflug", sagt Brodnig. Erst wenn man die Zahlen habe, könnte man sinnvolle Gesetze machen. Dass Deutschland nun Druck mache, sei aber gut. "Deutschland zeigt, dass sich die Geduld zu Ende neigt."

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