Frau tippt auf dem Handy

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Hass im Netz

Alles eine Risikoberechnung im Businessplan

Deutschland versucht es mit einem Gesetz, andere Länder wie Österreich mit Dialog. Der Druck auf Facebook, Google und Co illegale Hassrede schneller vom Netz zu nehmen, wächst. Das müsste doch auch im wirtschaftlichen Interesse der Plattformen sein, argumentiert etwa Staatssekretärin Muna Duzdar, sonst würden sich immer mehr Nutzer abwenden. Für die Internetkonzerne sind die Strafandrohungen aber oft nicht mehr als eine Risikokalkulation in ihrem Businessplan.

Wütende Menschen klicken mehr. Kommentare und Inhalte, die die Nutzer aufwühlen, führen zu mehr Reaktionen und Interaktion, und jeder Click bringt Werbegeld. "Umso mehr Aufmerksamkeit die Seite hat, umso mehr Clicks, umso mehr Seitenansichten. Das wird gezählt und das wird verkauft", sagt der Jurist Max Schrems, der mit seiner Klage gegen Facebook international für Aufsehen gesorgt hat.

Hass befördert Werbeeinnahmen

Immerhin basieren die Geschäftsmodelle der Plattformen auf Werbeeinahmen. Bei Facebook erscheint die Werbung neben oder im Newsfeed, bei Google zählt jeder Click auf eine Anzeige neben den Suchergebnissen, bei der Videoplattform YouTube, die Google gehört, wird Werbung vor, nach oder während der Videos gezeigt.

Facebook Campus

Facebook Campus in Menlo Park, Kalifornien

AP/JEFF CHIU

Für Netzwerke wie Facebook stellt sich also die Frage, ob es sich lohnt, Hass und Hetze zu entfernen. Laut Max Schrems ist es eine einfache Risikoberechnung. "Die Unternehmen überlegen sich: Wie viel würde es mich kosten, wenn ich das alles rausfiltere und bearbeite? Wie hoch sind die Strafen, wie oft werden wir überhaupt verklagt?"

Gut Löschen ist teuer

Eine effektive und umfassende Überprüfung der Inhalte auf Strafbares und Verhetzendes ist schließlich teuer. Dafür braucht es qualifizierte Moderatoren, die die jeweilige Landessprache können müssen sowie die kulturellen Bedingungen, um Hass und Hetze zu erkennen und zu bewerten. "Das ist alles eine Risikoberechnung in einem Businessplan. Recht ist nicht etwas, was man einhält, sondern etwas, das man sich überlegt", sagt Max Schrems.

Max Schrems

Max Schrems

LUKAS BECK

Glücklich in der Hass-Blase

Dass Facebook und Google doch auch ein wirtschaftliches Interesse haben müssten, die Qualität der Inhalte auf ihren Plattformen zu verbessern, hält Schrems für naiv, vor allem in Bezug auf Facebook. "Ihr Image ist ihnen inzwischen vollkommen wurscht, weil sie ein Monopol sind."

Auch hier spielen die sogenannten Filterblasen eine Rolle. Hass und Hetze sehen immerhin nicht alle User in ihrem Newsfeed, sondern nur jene, die das auch wollen. Max Schrems: "Der, der Hasspostings nicht sehen will, sieht sie nicht. Der, der in seiner Hassblase sein will, ist voll in seiner Hass-Blase und ist damit glücklich"

Unternehmen wollen nicht neben Hass werben

Es gibt jedoch ein Druckmittel, das die Plattformen bewegen könnte, etwas zu ändern, sagt Nadia Abou Nabout, Online-Marketingexpertin an der Wirtschaftsuniversität Wien. In Großbritannien haben mehrere große Unternehmen keine Werbung mehr auf Google und YouTube geschaltet, weil ihre Anzeigen zum Beispiel neben Videos von Hasspredigern aufgetaucht sind. Neben Gewalt und Pornografie zu werben sei geschäftsschädigend. "Deswegen ziehen sie ihre Budgets zurück", sagt Abou Nabout.

Auch auf Druck der zuständigen britischen Minister beteuert Google, dass man nun daran arbeite, Unternehmen mehr Kontrolle zu geben, wo ihre Werbung erscheint. Denn die Unternehmen wollen kontrollieren können, wo ihre Werbung läuft. "Sobald sie das können wird automatisch bestimmter Content unattraktiv und nicht mehr nachgefragt werden", sagt Nadia Abou Nabout von der WU.

Die Gefahr, riesige Werbeetats zu verlieren, ist also bedrohlicher als mögliche Strafen.

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