Gefaltete Schiffchen, Schere

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Timothy Garton Ash

"Die Zensur wird privatisiert"

Der renommierte britische Oxford-Historiker Timothy Garton Ash übt im #doublecheck-Interview mit Nadja Hahn scharfe Kritik am Facebook-Gesetz in Deutschland. Er spricht sich für eine Entspannungspolitik gegenüber Facebook aus und wehrt sich gegen den Reflex, den Staat alles lösen lassen zu wollen.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutschland ist eine Gefahr für die Demokratie, sagt der britische Historiker an der Oxford University Timothy Garton Ash, denn es ermuntere Facebook und andere Plattformen im Zweifel zu zensieren. "Die Zensur wird privatisiert. Aber diese private Zensur ist nicht transparent und nicht einklagbar."

Timothy Garton Ash

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Timothy Garton Ash

Schon in seinem Buch "Redefreiheit. Prinzipien für eine vernetzte Welt" beschreibt Garton Ash zwei Phänomene, die eine unterschiedliche Herangehensweise brauchen. Der Staat soll laut Garton Ash nur bei der wie er sagt "gefährlichen Rede" eingreifen. Was gefährlich ist, ist für Garton Ash kontext – und länderabhängig, aber zumindest alles, was im Internet wahrscheinlich zu Gewalt oder zu großen psychologischen Schäden führt. In Österreich wäre zum Beispiel die Hetze gegen Flüchtlinge oder Muslime gefährlich. Im Gegensatz dazu steht für ihn die Hassrede. Sie sei nicht mit dem Strafrecht zu bekämpfen, sondern mit Bildung und Aufklärung.

Timothy Garton Ash im Interview mit Nadja Hahn, Teil 1

Reden bringt mehr als Gesetze

Die angefeindete Debatte mit Facebook und anderen Internetunternehmen sei der Sache nicht dienlich. Wer den Hass im Netz bekämpft will, muss mit Facebook kooperieren. Immerhin sitzt das Unternehmen an den Schaltern: "Eine kleine Änderung, die Facebook selbst unternimmt – beim Design, beim Algorithmus, beim Newsfeed – wird viel mehr bewirken, und zwar weltweit, als jedes Gesetz", sagt Garton Ash.

Mark Zuckerberg

Facebook-CEO Mark Zuckerberg

AP/STEVEN SENNE

Anknüpfen ließe sich für den Historiker an dem Selbstverständnis der Plattformen wie Facebook. Denn das habe sich geändert: "Vor zehn Jahren haben die Plattformen gesagt: Wir sind neutral, wir haben keine Verantwortung für die Inhalte. Jetzt sagt sogar Mark Zuckerberg in seinem Manifest: Wir haben eine Verantwortung."

Timothy Garton Ash im Interview, Teil 2

Zivilcourage auch im Netz

Garton Ash sieht auch die Internetnutzer selbst in der Verantwortung. "Wir, die Netzbürger, sollten viel aktiver werden, indem wir sagen: Das ist nicht das Facebook, das wir haben wollen", so Garton Ash.

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