Peter Ablinger, 1996

SIEGRID ABLINGER

ORF musikprotokoll

Von der Schwingung zur Musik

Dem heuer verstorbenen Komponisten und Konzeptkünstler Peter Ablinger ist beim diesjähren ORF musikprotokoll ein programmatischer Schwerpunkt gewidmet.

Über Jahrzehnte war das ORF-Festival „musikprotokoll im steirischen herbst“ für den heuer 66-jährig verstorbenen Komponisten Peter Ablinger ein Ort vieler Uraufführungen. Das „musikprotokoll“ präsentiert heuer Peter Ablingers musikalische Vexierspiele mit zwölftönigem Rauschen aus Lautsprechern, die, im Kreis aufgestellt, die gehend Hörenden in eine Escher‘sche Hörspirale locken. Scheinbar endlos steigen oder sinken die Zwölftonskalen, je nachdem, welche Gehrichtung man einschlägt.

Ablingers Stück ist dem Kollegen und langjährigen „partner in crime“ Winfried Ritsch gewidmet. Das ging aber auch umgekehrt: Für dieses „musikprotokoll“ stellen wir deswegen dem Stück WEISS / WEISSLICH 27d „komplementäres Rauschen“ von Peter Ablinger das Stück Gesang der Orgel 2b von Winfried Ritsch gegenüber. Er hat es Peter Ablinger gewidmet. In beiden Fällen fordern nahezu unmerkliche Veränderungen der Schwingungsverhältnisse unser Hören heraus.

„Die Existenz von Klängen wurde bis jetzt nicht bewiesen."

Schwingungen sind zwar die Voraussetzung für das Hören von Musik, aber Schwingungen führen nicht notwendigerweise zum Hören von Musik. Schwingungen können mit anderen Frequenzen in anderen Medien, in anderen Kontexten als alles Mögliche wahrgenommen werden, als Licht oder Erdbeben, als Hitze oder Entschleunigung, als Sprache oder Rauschen. Nur unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen führen Schwingungen zu etwas, was wir traditionellerweise bereit sind, Musik zu nennen. Dem Künstler und Denker Peter Ablinger war das Wissen darum ein Leben lang Antrieb zum radikalen Neudenken dessen, was wir als Musik, was wir als Kunst wahrnehmen wollen und können. Peter Ablinger hat dazu lapidar in eines seiner Dutzenden großartigen Notizhefte geschrieben: „Die Existenz von Klängen wurde bis jetzt nicht bewiesen."

Drei entscheidende Aspekte

Für das „musikprotokoll 2025“ haben wir noch im November 2024 mit Peter Ablinger gemeinsam eine Werk-Trias ausgeheckt, die in drei Statements drei entscheidende Aspekte dieses seines radikalen Musikdenkens erlebbar machen sollte. Peter war zwar schon von seiner Krankheit gezeichnet, aber bester Dinge und voller Ideen. Selbstverständlich war es unser aller Absicht, ihm mit diesen drei Werken am Ort vieler seiner Uraufführungen, also in Graz und beim „musikprotokoll im steirischen herbst“, nochmals eine präzise Ehrung zuteilwerden zu lassen. Nun ist er dafür viel zu schnell gestorben. Der Ehrung tut das keinen Abbruch.

ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Dirigent: Vimbayi Kaziboni

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Die Wendel

In dem uraufzuführenden Orchesterstück Die Wendel – wie in dem Wort Wendeltreppe – hält das live spielende Orchester einen Akkord übereinandergeschichteter Quinten aus, einen damit notgedrungen zwölftönigen Akkord. Derselbe Akkord in einer zugespielten Version beginnt sich, bewegt durch eine elektronische Manipulation, langsam von dem live gespielten Akkord wegzudrehen. Eine Folge von schillernden, vibrierenden, mikrotonalen Verschiebungen ist die Folge dieses minimalen Eingriffs. Wenn aus der Kommunikation von Obertonschwingungen miteinander letztlich Musik wird.

Die Metalplatte

Die Metalplatte geht mit anderen Mitteln an die Faszination der Schwingungen heran. Viele Musiker, auch Peter Ablinger, haben in den vergangenen Jahren mit Transducern gearbeitet, die, angebracht auf schwingungsfähigen Oberflächen, durch das Zuspielen von Klängen, also Schwingungen, weitere Klänge erzeugen. Peter Ablinger nun hat zuletzt ein System entwickelt, bei dem das Zuspielen von Klängen nicht weitere Klänge, sondern sichtbare Schwingungen einer hängenden Metallplatte erzeugt. Wenn aus hörbaren Schwingungen letztlich unhörbare Musik wird.

Gestaltung

  • Christian Scheib