Protestteilnehmer, erhobene Fäuste

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Deutschland

Ungeliebtes Gesetz gegen Hass im Netz

Deutschland macht ernst mit rechtlichen Konsequenzen gegen Hetze und Verleumdung in sozialen Netzwerken. Und erntet dafür Kritik von allen Seiten.

Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde Ende Juni beschlossen. Es sieht vor, dass Internetkonzerne wie Facebook oder Google bis zu 50 Millionen Euro Strafe zahlen müssen, wenn sie gemeldete illegale Inhalte nicht rechtzeitig löschen. Ende Juni wurde es beschlossen, doch Kritiker sehen einige Schwachstellen.

"Niemand steht über dem Gesetz"

"Jeder Journalist, der eine Zeitung macht, jeder Verleger, der ein Buch herausgibt, jeder Mensch, der sich auf eine Holzkiste stellt auf dem Marktplatz und eine Rede hält, muss sich an unsere Gesetze und auch an das Strafrecht halten. Und ich sehe keinen Grund, warum das gleiche nicht auch für die großen Internetkonzerne gelten sollte. Niemand steht über dem Gesetz, auch nicht Facebook und Twitter", sagt der deutsche Justizminister Heiko Maas.

Heiko Maas

AFP/DPA/SEBASTIAN GOLLNOW

Deutschlands Justizminister Heiko Maas

Was ist Hassrede, und was nicht?

Doch an der Regelung gibt es viel Kritik. Den Internet-Riesen stößt unter anderem sauer auf, dass ihnen eine schwierige Rechtsprüfung aufgezwungen wird. "Es ist sehr selten so, dass wir sagen können, das ist eindeutig rechtswidrig oder eindeutig rechtmäßig, sondern die große Menge der Inhalte ist grau", sagt etwa Sabine Frank von Google.

Zwar soll auch ein dem Justizministerium unterstehendes Fachgremium eingerichtet werden, das bei nicht eindeutigen Fällen entscheiden soll, ob ein Inhalt strafbar ist oder nicht. Für Susanne Dehmel vom Hightech-Verband Bitkom ändert das aber nichts an einem grundsätzlichen Problem. "Das Hauptproblem ist, dass hier in Teilen eine staatliche Aufgabe an private Akteure abgeschoben wird. Es wird von den Unternehmen erwartet, dass sie in kürzester Zeit umfangreiche, komplizierte, grundrechtliche Prüfungen durchführen", sagt Dehmel.

Hohe Strafen drohen

Kritiker befürchten zudem, dass im Zweifelsfall lieber gelöscht werde, als eine Strafe zu riskieren. Constanze Kurz von der Hackervereinigung "Chaos Computer Club" gibt zu bedenken, dass den Unternehmen viel Arbeit zugemutet wird: "Ein kommerzielles Unternehmen kann kein Interesse haben, sehr viel Personal für diese juristische Prüfung aufzuwenden. Und so werden früher oder später automatisierte Filter-Prozeduren üblich werden."

Meinungsfreiheit in Gefahr

Wenn das Stehenlassen von Inhalten zu Strafen führt, könnte das bewirken, dass mehr gelöscht wird, als nötig, befürchtet Alexander Rabe vom Branchen-Verband für Internetwirtschaft "Eco". Er sieht auch die Meinungs- und Redefreiheit durch das neue Gesetz in Gefahr. "Bei dieser Zange an starren Fristen und hohen Bußgeldern wird die Entscheidung immer in Richtung löschen ausfallen und genau da sehen wir einen Eingriff, der auch die Meinungsfreiheit tangiert", sagt Rabe.

Justizminister Heiko Maas möchte im Gegenteil mit dem neuen Gesetz eben diese Meinungsfreiheit schützen und kontert den Bedenken: "Mit kriminellen Hassposts sollen Andersdenkende eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Solche Hassposts sind wahre Angriffe auf die Meinungsfreiheit. Mit diesem Gesetz beenden wir in dieser Beziehung das verbale Faustrecht im Netz und schützen die Meinungsfreiheit aller."

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ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Beschwerdestelle in Deutschland

Renate Künast vom Bündnis 90/Die Grünen war selbst Opfer von Fake News, von verleumdenden Falsch-Meldungen. Beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz ortet sie dennoch viele Mängel. Positiv ist für Künast, dass es jetzt für Betroffene einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland gibt.

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