Alliierte

1. März 2024, 06:57

Heute mochte ich über so Alliierte sprechen. Nicht die, die im 2. Weltkrieg gekommen sind (die mag ich auch sehr), nein die, die im Moment einer Verzweiflung helfen können. Das Gehen zum Beispiel.

Das Gehen. Das zu Fuß gehen. Kennen Sie das, wenn die Energie bei den Füßen rausgeht? Ich hab nämlich angefangen, alle Wege zu Fuß zu gehen. Vom 2. Bezirk in den 17. Bezirk zum Beispiel. Okay, öfters gehe ich vom 4. in den 7. Vom 2. bis zum 8. Eine Überquerung mehrerer Hügel. Anfangs bin ich fast gelaufen, stundenlang, jeden Tag. Um die Ausgangslage zu begreifen. Oder wegzulaufen vor ihr. Das Gute ist, dass das eine Überlistung des Körpers ist. Wenn man immer weiter geht, ist es deswegen eine Überlistung des Körpers, weil der dann wirklich glaubt, dass etwas weitergeht. Sie wollen strampeln. Was hilft? Gehen. Wenn die Verzweiflung kommt, was hilft? Gehen. Wenn zu viel Ruhe eintritt, was hilft? Gehen.

Man hat ja festgestellt, dass beim Trauerschmerz auch das Schmerzzentrum im Hirn aktiviert ist. Ich hab gelernt, nein, ich versuche, den Schmerz zu verorten. Wo tut es weh. Es zieht leicht in der Brust. Bei mir fühlt es sich an, als hätte ich ein Loch in der Brust, das zieht nach innen und unten. Das Herz tut weh, ich spüre es. Ich spüre mein Herz dann. Weitergehen. Atmen. Der Atem strömt ein und aus, interessanterweise am meisten bei der rechten Schulter. Ruhig atmen hilft dem Körper, die Panik zu überwinden. Er glaubt dann, alles sei in Ordnung. Weitergehen. Oder trainieren!

Ich geh ja ins Schwitzeyoga. Das ist uranstrengend. Der Yogalehrer lächelt mich vor der Stunde an. Er weiß gar nicht, wieviel Mut er mir damit macht. Und mittendrin, so ein kleines Wunder, mitten in der Anstrengung dreht sich meine Nachbarin, die ich nicht kenne, zu mir und meint: Geht schon. Das hat mein Kind immer gesagt.

Service

Anja Salomonowitz: Film "Mit einem Tiger schlafen"

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• Alexandra Mantler