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Dieser Zug hält in allen Stationen außer Salone
Die gezielte Vertreibung von Roma und Sinti aus der italienischen Hauptstadt
Feature von Christina und Martin Höfferer

Auf Höhe der Nummer 900 an der altrömischen Konsularstraße Via Casilina befand sich einst das größte Roma-Lager Europas. Das "Casilino Neunhundert" bildete eine Stadt in der Stadt mit eigenen Strukturen. Seine Anfänge lassen sich bis in die 1950er Jahre zurückverfolgen, als sich Familien aus Neapel und Sizilien auf dem freien Feld ansiedelten, Knoblauch und Artischocken verkauften und kleine Baracken errichteten. Im Laufe der darauffolgenden Jahrzehnte wurden die Süditaliener durch Roma abgelöst, Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien kamen, vor allem aus Mazedonien und aus dem Kosovo. Im Jahr 2008 erfuhr die Geschichte des Casilino Neunhundert eine Wende, im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt von Rom wurde der Zwist um das Lager zum zentralen Programmpunkt. Dem Lager wurde der Strom abgedreht, die Eingänge wurden abgesperrt und die 800 Bewohner fotografisch vermessen. Schließlich wurde das Casilino Neunhundert geräumt. Es war eine Vertreibung aus ethnischen Gründen. Nicht als Roma oder Sinti identifizierte Lager-Bewohner durften bleiben. Einige der Roma und Sinti flohen in andere europäische Länder, andere akzeptierten die Wegweisung, weil ihnen versprochen wurde, dass binnen vier Monaten die Stadt Rom den Roma Häuser und Arbeit geben würde. Dies jedoch blieben leere Versprechen.

Mittlerweile hat die Stadt hat an ihrer Peripherie Einrichtungen für die registrierten Roma und Sinti errichtet. Sie leben dort in Containern auf der politischen Grundlage des sogenannten "Piano Nomadi", des "Nomaden-Plans", mit dem die Roma und Sinti außerhalb der Stadtgrenzen verbannt werden sollen. Es sind Nomaden wider Willen. An die 500 Räumungen von Roma-Siedlungen veranlasste die Stadt Rom in den letzten Jahren, eine Politik die mehr als sechs Millionen Euro kostete und die zur Folge hatte, dass aus 80 Roma-Lagern im Jahr 2009 mittlerweile bis zu 300 improvisierter Lagerplätze wurden.
Diese Sendung wurde im Dezember 2013 mit dem "Journalismuspreis von unten" ausgezeichnet.

Ton: Martin Todt
Redaktion und Regie: Elisabeth Stratka

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Gestaltung