Diagonal - Radio für Zeitgenoss/innen

12. Juli 2014, 17:05

"Die Freiheit führt das Volk" nannte Eugène Delacroix sein berühmtestes Bild: Die barbusige Schönheit, das Kleid im Kampf zerrissen, trägt im Triumph die französische Flagge durch ein von Leichen übersätes Schlachtfeld. Die Freiheit führt das Volk: oft nur kurzfristig. Schon ein willkürliches Hineinzoomen in die Weltgeschichte zeigt, dass Freiheit erstens immer ihren Preis hat - oft in Menschenleben bezahlt - und zweitens keine treue Begleiterin ist. Hat man sich von einem Regime befreit, legt oft schon das nächste seine gierigen Tentakel um das noch fröhlich feiernde Volk. So geschehen gleich nach der Französischen Revolution, so geschehen im Ägypten des Arabischen Frühlings oder im früheren Ostblock. Bisweilen bewirkt auch die Freiheit des einen die Unfreiheit der anderen - darf man daher der Freiheit auch im Namen der Freiheit Grenzen setzen, ihr Fesseln anlegen?
Freiheit ist auch anstrengend. Oft bedarf es eines gewaltigen Leidensdruckes, bis man sich überhaupt erst aufmacht, sie zu erobern. Wie immer ist Träumen vom Ideal billiger als Handeln in der Wirklichkeit. Und oft geht es auch gar nicht um das große Ideal, sondern um viele kleine Freiheiten: die Freiheit, sich für einen eigenen Lebensweg zu entscheiden. Oder auch die Freiheit, "nein" sagen zu können.

Service

Götz Aly, "Unser Kampf. 1968 - ein irritierter Blick zurück", Fischer TB
Renata Salecl, "Die Tyrannei der Freiheit. Warum es eine Zumutung ist, sich anhaltend entscheiden zu müssen" Blessing Verlag
Lisa Herzog, "Freiheit gehört nicht nur den Reichen. Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus", C.H.Beck
Byung-Chul Han, "Müdigkeitsgesellschaft" und "Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handels. Gedanken zur Krise der Demokratie", Verlag Matthes und Seitz

Verein Neustart


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