Radiokolleg - Wenn Erwachsene lesen und schreiben lernen
Bildungsbenachteiligung in Österreich (1). Gestaltung: Ina Zwerger
30. März 2015, 09:05
In Österreich haben fast eine Million Erwachsene große Probleme mit dem Lesen und Schreiben. 17,1 Prozent der 16- bis 65-Jährigen verfügen nur über rudimentäre Lesekompetenzen und sind dadurch in Beruf und Alltag benachteiligt.
Zu diesen Ergebnissen kommt die so genannten PIAAC -Erhebung, die von der OECD durchgeführt und in Österreich 2013 veröffentlicht wurde. Der "Pisa-Test für Erwachsene" stellt auch fest, dass in Österreich vor allem die Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen besonders betroffen ist, beinahe jeder Vierte hat mangelhafte Lese- bzw. Schreibfähigkeiten.
In einer durch Schrift und Vorschriften geprägten Welt stoßen Menschen mit geringen Schriftsprachkompetenzen schnell an ihre Grenzen, ob im Berufsleben, bei Ämtern, im Verkehr, beim Einkaufen oder im Familienleben. Einen Einblick in den schwierigen Alltag von drei Betroffenen, in ihren Kampf um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung trotz Leseschwäche gibt der neue Dokumentarfilm "Rosi, Kurt und Koni". Zwei Jahre lang hat die Regisseurin Hanne Lassl die Protagonisten begleitet und Probleme als auch Lernerfahrungen festgehalten. Denn Rosi, Kurt und Koni haben beschlossen im Erwachsenenalter das nachzuholen, was sie in der Schulzeit versäumt haben.
Nicht - oder nicht gut - lesen und schreiben zu können, ist in unserer Gesellschaft nach wie vor sehr tabuisiert. Wie groß muss der Leidensdruck sein, dass sich Erwachsene entscheiden, besser lesen zu lernen? Mit Aufklärung und kostenlosen Angeboten will die "Initiative Erwachsenenbildung" nun verstärkt mehr Menschen motivieren, Kurse zur Basisbildung zu besuchen oder den Pflichtschulabschluss nachzuholen.
Meist schämen sich die Betroffenen und versuchen, so gut es geht, ihre Defizite zu verheimlichen. Was vielen scheinbar gelingt. 62 Prozent der Personen mit Leseschwäche sind trotzdem erwerbstätig.
Wie sich geringe Schriftsprachkompetenz auf die Lebensqualität auswirkt, welche biographischen Faktoren eine Rolle spielen und welche Verantwortung das Bildungssystem trägt, dazu wurden in den letzten Jahren mehrere Studien erstellt. Ina Zwerger sucht Antworten, warum so viele Menschen neun Jahre umsonst die Pflichtschule besucht haben und warum Bildungsbenachteiligung nicht nur - aber meist schon - eine soziale Frage ist.