Kunstradio - Radiokunst

In "Distanzen 2016" greift der österreichische Künstler und Musiker Anatol Bogendorfer auf die Aufnahmen und das Material der Serie "Land und Laute - Akustische Attacken aus Österreich" zurück und lässt ein neues Radiostück entstehen.

Die Klangwelt Österreichs wurde diesen Sommer auf Ö1 künstlerisch vermessen und vor Ohren geführt: von Montag bis Donnerstag, jeweils um 16:55 Uhr, waren in 35 Folgen "Akustische Attacken" zu hören, die quer durch Österreich aufgenommen wurden, von den verstörenden Geräuschen einer Tierschlachtung bis zum penetranten Rattern des Rasenmähers in Nachbars Garten.

Für das "Ö1 Kunstradio" gestaltet der Musiker und Künstler Anatol Bogendorfer einen Radiomix aus dem Audiomaterial, das für diese Sommerserie, einer Kooperation zwischen Ö1 und der Hörstadt Linz, gesammelt worden ist.

"Auf Distanz gehen - das hieß für mich im Frühling und Sommer 2016 mehrerlei Dinge. Zunächst ging es um räumliche Distanzen, wenn ich zwischen Vorarlberg und Burgenland unterwegs war, um mich mit dem Mikrofon auf die Suche nach Klängen zu begeben. Manche von diesen Klängen fand ich zufällig oder beiläufig, etwa dann, wenn ich genug Muße und Geduld hatte, meine Mikrofonangel einfach mal ins Schallmeer hinauszuwerfen und abzuwarten welche Sounds anbeißen. Andere Klangorte habe ich vorher recherchiert und dann bewusst aufgesucht. Ich rief zum Beispiel bei einem Schlachthof in Tirol an und eröffnete der Person am anderen Ende der Leitung mein Anliegen: Ich würde gerne vorbeikommen und mich mit meinem Mikrofon so weit wie möglich dem Tier nähern, das getötet, aufgeschlitzt, zum Ausbluten aufgehängt, gehäutet und zerlegt wird. Die Frau am Telefon reagierte, und zwar anders als die vier Schlachtbetriebe zuvor, nicht distanziert, sondern mit Nachfragen und Interesse. So begegnete ich in den vergangenen Monaten nicht nur interessanten Klängen, sondern größtenteils auch interessierten Menschen. Ihr Interesse galt dann weniger meiner Arbeit, als plötzlich ihrem eigenen akustischen Alltag, den sie ansonsten in der Regel kaum bewusst wahrnehmen.

Die richtige Distanz zu bestimmen wirft im Bereich von Field Recordings manchmal ethische Fragen auf, aber ebenso einfache technische Fragen und darüber hinaus immer künstlerische. Wie weit darf ich mich im öffentlichen Raum Menschen mit dem Mikrofon nähern, ohne ihre Privatsphäre zu verletzen? In welcher Distanz zur Soundquelle positioniere ich das Mikrofon, um klangtechnisch das für mich beste Ergebnis zu erzielen? Welche innere Distanz sollte ich überwinden, um dort hinzukommen, wo ich glaube, dass sich eine interessante Geschichte verbirgt?" Anatol Bogendorfer

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