Der alte neue Kabarettist

Werner Schneyder ist "konservativ"

Mit dem von Christoph Pauli am Flügel begleiteten Programm "Ich bin konservativ" kehrt Werner Schneyder auf die Kabarettbühne zurück. Für das "konservativ" im Programmtitel hält der Kabarettist seine etwas andere Definition des Begriffs parat.

Werner Schneyder bekennt sich dazu, konservativ zu sein

Clown und Narr der satten Bürger war er ebenso wie Journalist, Autor, Regisseur, Chansonnier, Box-Kommentator und selbstverständlich Kabarettist: Werner Schneyder. Im vergangenen November ist der "Kabarettrentner", der im Jahr 1996 "endgültig" seinen Abschied vom Kabarett nahm, wortbrüchig geworden und nach 13 Jahren wieder auf die Kabarettbühne zurückgekehrt: Am 12. November 2009 hat er zwar nicht das Brettl der altbekannten kleineren Kleinkunstlokale betreten, sondern gleich die Bühne des restlos ausverkauften Wiener Burgtheaters.

Stern der Satire

2008 war Werner Schneyder von den Ruhrfestspielen Recklingshausen zu einer satirischen Lesung eingeladen worden. Beim Zusammenstellen des Programms, das Höhepunkte aus fast 30 Jahren Kabarett und politischem Chanson beinhalten sollte, überkam ihn der zwingende Ehrgeiz, diese zu aktualisieren, zu ergänzen, die klassischen Texte in Relation zur Gegenwart zu setzen. So entstand das von Christoph Pauli am Flügel begleitete Programm "Ich bin konservativ".

Dafür wurde Werner Schneyder auch eine ganz besondere Würdigung zuteil: Er erhielt den "Stern der Satire" des Deutschen Kabarettarchivs - eine Auszeichnung, die den "Universal-Dilettanten", wie er sich selbst bezeichnet, durchaus freut. Denn er hat vieles in seinem Leben versucht, sich in vielem ausprobiert und ist auch immer wieder gescheitert. Allerdings, meint Werner Schneyder, brauche er sich nicht vorzuwerfen, seine vielen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft zu haben. Inzwischen schmerzt es ihn auch nicht mehr, dass kein Gedicht von ihm in einer österreichischen Anthologie erschienen ist.

"Na gut, ich bin halt kein Dichter", sagt er dazu. "Ich schreibe zwar Gedichte, aber das ist nicht hinreichend. Die Leute müssen eine Lade aufmachen können, wo 'Dichter' draufsteht und da bin ich eben nicht drinnen. Aber ich bin auch nicht in anderen Laden drinnen. Mich müssen Sie unter 'Schneyder' suchen, sonst finden Sie mich nie!

Acht Jahre mit Dieter Hildebrandt

In eine Schublade passte Werner Schneyder zumindest für 20 Jahre doch: nämlich in die Kabarettschublade. 1974 spielte er erstmals gemeinsam mit seinem Partner Dieter Hildebrandt in der Lach- und Schießgesellschaft und erklärte damals schon das Kabarett für tot. Das gleichnamige Lied ist in seinem aktuellen Programm auch wieder zu hören.

Acht Jahre lang dauerte die Kooperation mit Hildebrandt an und fünf Programme: "Talk Täglich. Das öffentliche Leben als Talkshow in Permanenz", "Lametta & Co", "Wie abgerissen", "Keine Fragen mehr" und "Ende der Spielzeit".

Bis 1981 trat das Duo Schneyder-Hildebrandt gemeinsam auf, dann trennten sich seine Wege. Werner Schneyder startete eine Karriere als Solo-Kabarettist und gestrenger Kommentator der politischen Entwicklungen und Strömungen. Seine Programme waren immer geprägt von Mitgefühl für die sozial Schwachen und vom beißenden Spott gegen die Machthaber dieser Welt. Bis er im Jahr 1996 die Bühne für die Jüngeren frei gab.

Verbale Ohrfeigen

Nach 13 Jahren der Kabarett-Abstinenz ist es nicht verwunderlich, dass Schneyder wieder seine wohl erprobten Satiregeschütze auffährt und mit den Proponenten der Macht gar nicht zimperlich umgeht. Er scheut sich nicht, den Verursacher der Bankenkrise schallende verbale Ohrfeigen zu verabreichen. Den Banken heutzutage Geld anzuvertrauen setzt er mit dem Umstand gleich, Lemminge mit Traveller-Schecks auszustatten. Eigentlich müsse man bei dem Wort Banken nur den Buchstaben "k" durch den Buchstaben "d" ersetzen und schon sei man der Wahrheit ein Stück näher.

In seinem aktuellen Programm stellt Werner Schneyder Begriffen wie "Minus-Wachstum" adäquate Pendants wie "Plus-Schrumpfen" gegenüber, singt neben vielen anderen aktualisierten Liedern auch eine Ode an den Sachzwang und formuliert seine Zweifel an der Friedensbewegung und der Pharmaindustrie. Außerdem macht er sich über die Genusssucht seinesgleichen lustig und hält eine Rede gegen die Politikverdrossenheit vor einem imaginären Verein zur Rettung der Demokratie. Schließlich räsoniert Schneyder darüber, dass sich die deutsche Wirtschaft in Geiselhaft der Automobilindustrie befindet und scheut sich nicht, der Dreckschleuder "Fernsehen" den Kampf anzusagen.

Suche nach politischen Werten

Werner Schneyder gestattet sich klare Worte und scharfe Formulierungen. Nicht von ungefähr nannte ihn einst der Altmeister des Kabaretts Hanns Dieter Hüsch den "Lessing des deutschsprachigen Kabaretts". Schneyder plädiert für das "Entweder oder" und will absolut kein Verständnis für alte wie Neo-Nazis dulden. Er ist auf der Suche nach politischen Werten und befürchtet, dass Begriffe wie Solidarität bald nur mehr im Fremdwörterlexikon zu finden sein werden.

Er demaskiert die Halbherzigkeiten politischer Entscheidungsträger ebenso wie ihre Fortschrittsgläubigkeit trotz Krise. Teilen und soziales Handeln ist zum Leidwesen des Kabarettisten in Vergessenheit geraten. Kein Wunder also, dass er sich als früherer Linksliberaler keinen Millimeter vom Fleck bewegen musste, um heute als Linksaußen da zu stehen.

Immer er selbst

Viele Facetten hat Werner Schneyder. Als Sänger, Entertainer, Vortragender eigener und fremder Texte war er stets höchst aktiv. Jetzt ist er wieder mit eigenen Texten und Liedern zu sehen und hat keine Scheu, sich zu exponieren und auch die Erwartungen seines Publikums zu brechen. Er steht dazu, dass er eine Affinität zur Operette ebenso hat, wie eine abgrundtiefe Abneigung gegen zeitgeistige Gewehrsportler und Kampfplauderer. So ist er auch zu folgendem Bekenntnis bereit: "Ich bin konservativ".

Wer sich diesen Abend zu Gemüte führt, wird gut verstehen, was der Künstler damit meinte. Über Werner Schneyder sagte Josef Hader übrigens einmal: "Er ist klug, gefühlvoll, standhaft in seinen Überzeugungen und eitel. Er hat Höhen und Tiefen, er ist eine großartige Landschaft. Er ist greifbar und angreifbar. Er ist immer er selbst."

Service

Buch Werner Schneyder, "Die Socken des Kritikers. Ausgewählte Erzählungen", Verlag Langen Müller

Buch Werner Schneyder, "Krebs - eine Nacherzählung", Verlag Langen Müller

Buch Werner Schneyder, "Ich, Werner Schneyder: Meine 12 Leben", Amalthea Verlag

CD, Werner Schneyder, Christoph Pauli, "Ich bin konservativ. Live aus der Leipziger Pfeffermühle", TYXart

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