Der Sammler und die Kunst

Rudolf Leopold gestorben

Der österreichische Kunstsammler und Museumsdirektor Rudolf Leopold ist nur wenige Monate nach seinem 85. Geburtstag gestorben. Leopold hatte die größte und wichtigste private Kunstsammlung des Landes zusammengetragen, die seit 2001 im Leopold Museum im Wiener Museumsquartier ausgestellt wird.

Rudolf Leopold wurde am 1. März 1925 in Wien geboren, wo er 1943 maturierte und nach dem Krieg Augenheilkunde und Kunstgeschichte studierte. Ab 1947 begann er, Bilder und Kunstobjekte zu sammeln. Zu Beginn waren es die Alten Meister und die Kunst des 19. Jahrhunderts, die ihn interessierten, ab 1950 spezialisierte er sich auf Egon Schiele, entgegen des damals abschätzigen Urteils der Fachwelt.

Kulturjournal, 29.06.2010

Nachruf Rudolf Leopold

"Dem Nichts etwas entgegensetzen"

Was 1947 mit dem ersten Gemäldekauf des damaligen Medizinstudenten Rudolf Leopold begann, entwickelte sich zu einer Sammlerleidenschaft, die bis zuletzt ungebrochen war. Sein Museum erlaubte es ihm, seine Begeisterung für die Kunst zu teilen. "Dem Nichts etwas entgegensetzen", so Rudolf Leopold über seine Leidenschaft für die Kunst und seine Tätigkeit als Sammler.

Schon in seiner Kindheit begann er, Schmetterlinge und Briefmarken zu sammeln. Ein Besuch im Kunsthistorischen Museum brachte ihn schließlich zum Sammeln von Bildern und Kunstgegenständen.

Bedeutendster Kunstsammler Österreichs

"Ich sammle, weil es mich mit tiefer Freude erfüllt, den Schöpfungsakt eines Künstlers nochmals erleben zu können", wird Rudolf Leopold in einem Buch über sein Leben und seine Leidenschaft für die Kunst zitiert. Geschrieben wurde es von einem seiner Söhne, vom Psychotherapeuten Diethard Leopold. Es ist ein Versuch, den biografischen Spuren Rudolf Leopolds zu folgen, der als der bedeutendste Kunstsammler Österreichs gilt.

Der Schwerpunkt seiner Sammlung ist die österreichische Malerei der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Hauptwerken von Egon Schiele, Gustav Klimt, Richard Gerstl, Alfred Kubin, Albin Egger-Lienz, Kolo Moser, Oskar Kokoschka, Anton Faistauer, Anton Kolig, Herbert Boeckl und Wilhelm Thöny, um nur einige zu nennen.

Leopold konnte aber auch wertvolles Mobiliar und Objekte der Architekten Wagner, Loos, Hoffmann und Moser erwerben. Ein Großteil seiner Sammlung ist in dem 2001 eröffneten Leopold-Museum im Wiener Museumsquartier für die Öffentlichkeit zugänglich, wo er museologischer Direktor auf Lebenszeit war.

Die Vorformen seiner Leidenschaft

Schon als Neunjähriger hatte er begonnen, Schmetterlinge zu sammeln. Ab der vierten Klasse Gymnasium wurde eine neue Sammlung angelegt: Die Aufmerksamkeit galt in diesem Alter wertvollen Briefmarken. Auch hier sammelte er systematisch, besonders die erste Briefmarkenserie der Österreichisch-Ungarischen Monarchie interessierte ihn und die ersten ab 1851 ausgegebenen Zeitungsmarken. Auch in diesem Fach wurde der junge Sammler bald zum anerkannten Experten.

Der Arzt als Kunstsammler

Durch eine Gelbsucht vom Militärdienst befreit und später samt Familie in den Bergen untergetaucht, überstand er unbeschadet den Zweiten Weltkrieg und inskribierte an der Medizinischen Fakultät in Wien.

"Ich wollte ursprünglich Musiker werden. Am liebsten wäre ich Dirigent geworden", sagte er. Die Sammlerleidenschaft aber ließ ihn nicht los. Als der angehende Augenarzt im Herbst 1947 das Kunsthistorische Museum besuchte, entdeckte er plötzlich die Faszination der bildenden Kunst und in ihm reifte ein Entschluss:

"Ich habe gesehen, dass es nicht nur das Naturschöne gibt, sondern etwas genauso Faszinierendes, sozusagen parallel zur Natur. Wie vom Donner gerührt stand ich vor den späten Werken Rembrandts und der großen Sammlung von Bildern des älteren Pieter Breughel. Auch die eigenhändigen Ölstudien von Rubens beeindruckten mich sehr. An diesem Tag beschloss ich, Bilder zu sammeln".

Der Schiele-Fachmann

Der Verkauf seiner kostbaren Briefmarkensammlung bildete den ersten Grundstock für den Beginn seiner Kunstsammlung. Gleichzeitig mit seiner Sammlertätigkeit erlernte Leopold auch das Handwerk des Restaurierens - auch um - wie er sagt - "noch mehr über das Wesen der Malerei zu lernen".

Neben seiner Tätigkeit als Augenarzt gelang es ihm, seine umfassende Kunstsammlung aufzubauen. Gerade 25-jährig, entdeckte er im Frühjahr 1950 bei einer Kunstbuchauktion den vergriffenen ersten Werkkatalog Egon Schieles und beschloss, die Werke des von vielen damals kaum beachteten Künstlers zu sammeln. In der Folge wechselte Sammlerglück mit Sammlerfrust. Zahlreiche Ausstellungen mit mehr oder weniger Erfolg folgten. Ab 1968 arbeitete er an seiner umfassenden Schiele-Monografie, einem Standardwerk für alle, die sich mit dem Leben und Werk Egon Schieles beschäftigen.

Das Leopold Museum

Als "Narr", als "Pornograf", als "Spekulant" wurde er lange Jahre abgetan. Das störte ihn jedoch nicht und hielt ihn nicht davon ab, seine bald umfassende und auch kunsthistorisch wertvolle Sammlung auch einem breiteren Publikum präsentieren zu können.

Die genaue Bestandsaufnahme und Schätzung seiner Kollektion wurde Mitte der 1990er Jahre zum mit Spannung verfolgten Krimi. Auf unvorstellbare 7,9 Milliarden Schilling (574 Mio. Euro) wurde schließlich seine über 5.000 Objekte umfassende Sammlung geschätzt, insgesamt 2,2 Milliarden Schilling (160 Mio. Euro) hatte die Republik Österreich und die Österreichische Nationalbank dafür bis 2007 in Ratenzahlungen zu überweisen.

Das von Ortner & Ortner im Museumsquartier errichtete und 2001 eröffnete Leopold Museum sorgte seither allerdings ununterbrochen für Kontroversen: Als Privatstiftung nicht vom Restitutionsgesetz erfasst, geriet die Sammlung immer wieder unter Anklage von Erbengruppe, die etwa Schieles "Häuser am Meer" zurückverlangen. In den vergangenen zwei Jahren hatte sich auch der Tonfall zwischen Leopold und der Isrealitischen Kultusgemeinde (IKG) immer mehr zugespitzt.

Erst Anfang Februar waren die Dossiers der unabhängigen Provenienzforscher, die im vergangenen Jahr die Herkunft von 23 Kunstwerken im Leopold Museum untersuchten, veröffentlicht worden. Leopold strebte jedoch stets einen Vergleich statt einer Rückgabe an. Sollte die Stiftung nun nach Leopolds Ableben beschließen, in Bundeseigentum überzugehen, wäre allerdings das Restitutionsgesetz auf die Sammlung anzuwenden. Der nun aus drei "Leopold"-Vorstandsmitgliedern und vier "Bundes"-Vorstandsmitgliedern bestehende Stiftungsvorstand wurde für Mittwoch einberufen.

Service

Buch Diethard Leopold, "Rudolf Leopold - Kunstsammler", Holzhausen Verlag

Rudolf Leopold, "Egon Schiele: Landschaften", Prestel Verlag

Leopold Museum
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