Bundesweite Kommission für Bundesinternate

Aufarbeitung oft erst am Beginn

Seit rund einem dreiviertel Jahr fordern Opferschützer eine Bundes-Kommission für Betroffene von Missbrauch und Misshandlungen. Jetzt soll sie Realität werden - allerdings nur für ehemalige Schüler in Internaten und Schulen des Bundes.

Die neun Bundesländer haben längst selbst mit der Aufarbeitung der gewalttätigen Vergangenheit in Kinderheimen begonnen. Rund 720 Betroffene und Zeugen von Gewalt, Erniedrigungen und auch sexuellem Missbrauch haben sich bisher gemeldet. Und das obwohl manche Bundesländer bei der Aufarbeitung immer noch am Anfang stehen. Eine Erfahrung macht man überall: Dass viele Opfer bis heute massiv an psychischen und körperlichen Folgen leiden.

Morgenjournal, 1.02.2011

Bleibende Schäden

Das Leben von vielen Betroffenen ist zerstört worden - durch Gewalt. So bringen Ansprechpartner in den Bundesländern ihre Erfahrungen auf den Punkt - vor allem nach Gesprächen mit ehemaligen Heimkindern, die in den 50er-, 60er- und zum Teil auch noch in den 70er-Jahren in Großheimen untergebracht waren. Marianne Gammer von der Opferschutzorganisation Weißer Ring, für die Anlaufstelle in Wien verantwortlich, weiß von gesundheitlichen Schäden und psychischen Belastungen der Betroffenen "noch heute im Erwachsenenalter" - Angst- und Panikattacken, Schlafstörungen. Auch von Flucht in Drogen und Alkohol wird vielfach berichtet.

Keine leichten Formen der Gewalt

Wien, Tirol und Vorarlberg sind jene Bundesländer die bereits Entschädigungs- oder besser Anerkennungszahlungen für Betroffene beschlossen haben. Insgesamt ist die Anlaufstelle in Tirol von 214 Personen kontaktiert worden, die in Wien von 211 und die in Vorarlberg von 60 Betroffenen. Der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch sagt, dass einige im früheren Landeserziehungsheim Jagdberg Opfer von purem Sadismus gewesen seien. Kinder seien mit Schläuchen und Zaunlatten geprügelt und verletzt worden. "Man muss jenen gegenübertreten, die meinen, da seien nur leichte Formen von Gewalt passiert."

Selbstmorde

Und die vom Land Salzburg eingesetzte Psychologin Marianne Schwab erzählt von Berichten, dass sich viele ehemalige Bewohner solcher Großheime sich inzwischen das Leben genommen hätten, oder so krank geworden seien, dass sie eben daran gestorben seien. Die meisten Überlebenden seien heute noch der Meinung, sie wären lieber zu Hause in zerrütteten Verhältnissen aufgewachsen, als in den früheren Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, so Schwab.

"Wie Gefängnisse"

Für den 53-jährigen Wiener Gerhard waren die Kinderheime wie Gefängnisse. Immer wieder hat er erfolglos versucht auszureißen - in den Jahren 1965 bis 75. Noch heute meint er, er hätte lieber zu Hause in ärmlichen Verhältnissen gelebt als in Heimen, durch die sogenannte Fürsorge 10 Jahre lang getrennt von seinen Eltern und Geschwistern

Mittagsjournal, 01.02.2011

Der Bericht eines heute 53-jährigen Heimkindes,

Misshandlungen in der Schule

In Salzburg haben sich bisher 64 Betroffene gemeldet, in Oberösterreich 80, in Kärnten 30, in Niederösterreich nur 25, ebenso viele wie im Burgenland. Dort betrifft der Schwerpunkt der Meldungen die 80er- und 90er-Jahre, sagt Kinderanwalt Christian Reumann. Und dabei gehe es um Misshandlungen und Erniedrigungen nicht durch Erzieher, sondern durch Lehrer in Schulen. "Von verbalen Beschimpfungen und Runtermachen bis hin zum Schlagen mit Gegenständen."

Anlaufstellen wenig bekannt

Erst zwölf Betroffene haben sich beim Land Steiermark gemeldet. Dort tagt erst eine Arbeitsgruppe über die mögliche Einsetzung einer Kommission und einer neuen Anlaufstelle für Misshandlungsopfer. Auch in manch anderen Bundesländern scheint man die Telefonnummern der Anlaufstellen kaum publik gemacht zu haben, im Internet sind sie so gut wie nicht auffindbar. Für Betroffene aus Internaten und Schulen des Bundes, gibt es vorerst noch gar keine Anlaufstelle. Gestern wurde aber bekannt, dass das Unterrichtsministerium eine solche plant.

Service

WIEN
Weißer Ring 01/4000/85918

NIEDERÖSTERREICH
Kinder- und Jugendanwaltschaft 02742/90811

OBERÖSTERREICH
Kinder- und Jugendanwaltschaft 0732/779777

STEIERMARK
Sozialabteilung des Landes 0316/877/6363

SALZBURG
Fachhochschule Puch-Urstein 0676/5414021

TIROL
Kinder- und Jugendanwaltschaft 0512/508/3792

VORARLBERG
Kinder- und Jugendanwaltschaft 05522/84900

KÄRNTEN
Landes-Sozialabteilung 050536/31303

BURGENLAND
Kinder- und Jugendanwaltschaft 057600/2808

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