Experte verlangt Regeln für EU-Abgeordnete

Affäre Strasser "nur Spitze des Eisbergs"

20.000 Lobbyisten geben in Brüssel jedes Jahr eine Milliarde Euro aus, um Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen. Anti-Korruptionsexperte Olivier Hoedeman sagt im Ö1-Morgenjournal, die Bestechungsaffären seien nur die Spitze des Eisberges. Regeln seien dringend notwendig.

Morgenjournal, 22.03.2011

Öl, Chemie, Finanz

Eine Pflicht zur Registrierung gibt es nicht. Die Lobbyisten arbeiten für die Autoindustrie, für Chemiefabriken und - derzeit besonders stark vertreten - für die Finanzindustrie, erklärt Hoedeman, der die Lage für "Corporate Europe Observatory" beobachtet. "Firmen geben jedes Jahr eine Milliarde Euro aus, um die Gesetzgebung in Europa zu beeinflussen. Am stärksten lobbyieren Vertreter der Öl- und Chemieindustrie sowie der Finanzindustrie. Am häufigsten treten deutsche und britische Lobbyisten auf."

Zweitjob nicht unüblich

Der Fall rund um Ernst Strasser ist nicht die erste Affäre der Reporter von "Sunday Times". Ein hochrangiger deutscher EU-Beamter war schon vor drei Jahren in ihre Falle getappt. Die Journalisten gaben sich als Vertreter einer chinesischen Handelsfirma aus und luden den Beamten in Nobelrestaurants ein. Im Gegenzug lieferte der Beamte wertvolle Insider-Informationen: "Diese Bestechungsaffären sind nur die Spitze des Eisberges. Es ist nicht unüblich für Abgeordnete, dass sie einen zweiten Job ausüben. Das kann mit Lobbying zu tun haben oder eine direkte Beschäftigung bei einer Firma sein. Es gibt keine Regeln dafür, dass sich das oder das ändern muss."

Regeln dringend notwendig

Diana Wallis, Parlaments-Vizepräsidentin will die Kontrollen verschärfen. Nach 20 Jahren erfolgloser Diskussion soll es noch heuer verbindliche Regeln für den Umgang von Politik und Lobbyisten geben. Hoedeman: "Das ist dringend notwendig. Das Parlament ist wichtiger denn je. Dementsprechend dringend sind hohe moralische Standards." Derzeit wird nur der Zutritt für Lobbyisten geregelt. Wer sich im Parlamentsgebäude mit Abgeordneten trifft, muss seine Daten bekannt geben. Wer sich außerhalb, etwa im Restaurant, trifft, für den gilt das nicht.

Abhilfe demnächst?

Durch die Bestechungsaffäre könnte bald Schluss sein mit der bisherigen Praxis. Am Mittwoch will Diana Wallis erste Konsequenzen aus der Affäre ziehen. Auch die obersten Betrugsbekämpfer in Europa, die EU-Behörde Olaf hat sich eingeschaltet: Schon Speis und Trank auf Einladung der falschen Lobbyisten dürfte gegen den Verhaltenskodex für EU-Beamte verstoßen haben.