Wird Verfassungsgericht umgangen?

Ortstafel-Kompromiss in Kärnten

Historischer Kompromiss beim Kärntner Ortstafelstreit: Gemeindem ab einem Anteil von 17,5 Prozent an slowenisch-sprachiger Bevölkerung sollen zweisprachige Ortstafeln bekommen. Das würde etwa 150 Gemeinden betreffen. Laut Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) habe man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Kritik kommt vom Verfassungsgerichtshof.

Morgenjournal, 4.4.2011

Einigung widerspricht Höchstgericht

Der größte Slowenenverband, der Rat der Kärntner Slowenen, beurteilte den Kompromiss noch sehr zurückhaltend. Er trage viele Teile mit, sagte Valentin Inzko, in seiner Organisation herrsche allerdings eine andere Beschlusslage.

Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer äußerte am Wochenende Bedenken: Der Kompromiss würde die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes unterlaufen, kritisiert Mayer. Denn das Höchstgericht hatte in seinen bisherigen Entscheidungen, einen zehn-prozentigen Anteil an slowenischer Bevölkerung als Basis für das Recht auf eine zweisprachige Ortstafel vorgegeben. Ein Punkt den auch die Grünen kritisieren.

Noch ist nichts fix

Beim Verfassungsgerichtshof selbst pocht man darauf, dass die bisherigen Entscheidungen zu einzelnen Kärntner Gemeinden im Kompromiss berücksichtigt werden müssen. Denn diesen hat der Verfassungsgerichtshof ein Recht auf eine zweisprachige Ortstafel zugesprochen, obwohl sie einen Slowenen-Anteil unter den nun festgelegten 17,5 Prozent haben.

Für das BZÖ ist in Wahrheit noch nichts wirklich entschieden. Die Verhandler wollen nach der Einigung, den Ortstafelkompromiss bis nach Ostern in ihren Gremien diskutieren. Danach soll der Lösungsvorschlag in einer letzten Gesprächsrunde endgültig fixiert werden. Danach könnte ein Verfassungsgetz noch vor der Sommerpause im Parlament beschlossen werden.

"Das war der kleinste gemeinsame Nenner."

Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) im Gespräch mit Wolfgang Werth.

Bestehende Tafeln bleiben

Für die Bundesregierung hat SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer diesen Kompromiss ausverhandelt. 17,5 Prozent ist genau der Mittelwert zwischen 25 Prozent - wie es im früheren Volksgruppengesetz zu lesen war - und zehn Prozent, wie es der Verfassungsgerichtshof beschlossen hat. Das sei der größte gemeinsame Nenner gewesen, der erzielbar war, so Ostermayer.

Bereits vorhandene zweisprachige Ortstafeln in Ortschaften mit einem geringeren Anteil an slowenisch-sprachiger Bevölkerung bleiben stehen. Bereits beschlossene, werden auch aufgestellt. "Wir werden keine Entscheidung, die der Verfassungsgerichtshof getroffen hat, ignorieren", sagt der Staatssekretär.

Wird Verfassungsgericht ausgehebelt?

Kritik kommt auch daran, dass die Regierung die Form eines Verfassungsgesetzes gewählt hat. Denn ein solches kann - im Gegensatz zu einem einfachen Gesetz - vom Verfassungsgerichtshof nicht so einfach aufgehoben werden. Soll der Verfassungsgerichtshof hier ausgehebelt werden?

Josef Ostermayer bestreitet das: "Der Verfassungsgesetzgeber in Österreich ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Und solange keine Grundbausteine der Verfassung tangiert werden, ist das ein vollkommen korrekter Weg."

Einstimmiger Beschluss?

Er sei überzeugt davon, dass die Slowenenfraktionen dem Gesetz zustimmen werden, sagt Ostermayer. Ebenso die FPÖ - obwohl der Freiheitliche Parteichef H.C. Strache ursprünglich angekündigt hatte, diese Frage mit jener der Grundrechte der deutschen Volksgrupp in Slowenien verknüpfen zu wollen. "Ich habe gute Hoffnung, dass wir einen einstimmigen Beschluss im Parlament zustande bringen", so Staatssekretär Ostermayer.