Gegner sehen Gefahr für Demokratie

"Anti-Boykott-Gesetz" in Israel verabschiedet

Beim so genannten "Anti-Boykott-Gesetz" geht es um eine neue Variation einer alten Frage, die in Israel immer wieder debattiert wird: Wie weit darf ein demokratischer Staat gehen, um sich gegen Anfeindungen zu wehren? Das umstrittene Gesetz wurde in der Nacht vom israelischen Parlament beschlossen.

Mittagsjournal, 12.7.2011

Ben Segenreich

Schadenersatz bei Boykott

In den letzten Jahren gab es immer wieder Aufrufe zum Boykott israelischer Produkte, Betriebe oder Universitäten, und insbesondere zum Boykott der israelischen Siedlungen im Westjordanland. Das neue Gesetz besagt nun, dass jeder Israeli, der zu einem derartigen Boykott aufruft, auf Schadenersatz geklagt werden kann.

Finanzielle Sanktionen drohen

Das Gesetz droht Boykott-Initiatoren also nicht mit Gefängnis oder anderen strafrechtlichen Folgen, sondern mit empfindlichen finanziellen Sanktionen. Es richtet sich nicht gegen Ausländer, sondern gegen israelische Bürger, die einen Boykott gegen Einrichtungen im eigenen Land betreiben. Das Gesetz verbietet zudem den staatlichen Behörden, irgendwelche Aufträge an Firmen zu vergeben, die sich ihrerseits an einem politischen Boykott etwa gegen israelische Siedlungen beteiligen.

"Gesetz ist etwas Natürliches"

Für den rechtsgerichteten Minister Daniel Herschkowitz ist das Gesetz gerechtfertigt und notwendig: "Wenn Menschen Teile des Landes Israel oder israelische Produkte boykottieren, dann muss sich unsere Demokratie natürlich wehren, und daher ist dieses Gesetz etwas Natürliches."

Gegner: "Verfassungswidrig"

Aber die Gegner des "Anti-Boykott-Gesetzes" sehen darin umgekehrt eine Gefahr für die Demokratie. Auch wenn man Boykottaufrufe ablehnt, argumentieren sie, so dürfe man die Aufrufe doch nicht per Gesetz verbieten - das sei eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, argumentiert etwa der oppositionelle Abgeordnete Jochanan Plessner:

"Das ist ein Gesetz, über dem die schwarze Fahne der Verfassungswidrigkeit weht, das ist ein illegitimes Gesetz, und es schadet leider dem Ansehen des Parlaments."

Fronten quer durch die Parteien

Die Fronten verlaufen dabei quer durch die Parteien. Auch Premier Benjamin Netanjahu hat bei dem Gesetz offenbar kein gutes Gefühl – er war bei der Abstimmung gar nicht dabei, obwohl seine eigene Partei den Antrag eingebracht hatte. Manche Juristen glauben, dass das Gesetz einer Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht standhalten wird. Darüber hinaus ist unklar, ob jemand das "Anti-Boykott-Gesetz" auch in der Praxis ausnützen wird oder ob es letztlich bloß eine Art politisches Signal ohne konkrete Folgen bleibt.