Liebesdrama nach Ferdinand von Schirach

Frau Dörrie sucht das "Glück"

2009 veröffentlichte der Strafverteidiger Ferdinand von Schirach den Kurzgeschichtenband "Verbrechen", der in kürzester Zeit zum Bestseller wurde. In knapper Sprache schilderte er da abgründige Fälle, die unmittelbar aus seiner Praxis zu stammen schienen. Jetzt hat Doris Dörrie eine der Kurzgeschichten verfilmt.

Kulturjournal, 21.02.2012

Wolfgang Popp im Gespräch mit Doris Dörrie

Ihr Liebesdrama "Glück" schildert die Beziehung zweier tragischer Figuren, die durch einen Schicksalsschlag auf eine schwere Probe gestellt wird. Die osteuropäische Migrantin Irina und ein junger obdachloser Punker lernen sich in den Straßen Berlins kennen und lieben. Er hält sich mit Betteln über Wasser, während sie sich als Prostituierte durchschlägt. Doris Dörrie hat in den letzten Jahren immer wieder im Berliner Milieu recherchiert: "Sie brauchen hier nur wenige Schritte wegzugehen vom Festivalpalast und sind dann in der Potsdamer Straße, das ist der größte Straßenstrich Europas und da stehen natürlich sehr, sehr viele Frauen mit einem ähnlichen Hintergrund."

Kultur aktuell, 20.02.2012

Universelle Schicksale

Das junge Paar versucht sich zumindest ein kleines Glück aufzubauen, was nicht ohne Reibereien abläuft. Eine lange Rückblende schildert die tragische Vergangenheit der jungen Frau. Marodierende Soldaten hatten im Krieg ihre Eltern getötet und sie selbst vergewaltigt. Die genaue Herkunft Irinas wird dabei aber verschwiegen. Doris Dörrie: "Ich wollte damit auch nicht ein Schlupfloch bieten, dass man sagen könnte: Na ja gut, das ist inzwischen ja Geschichte und das war vor fünfzehn Jahren. Das Ganze hätte man schön dann wieder abheften können als historischen Fall. Nein, das passiert ständig, das passiert in allen kriegerischen Konflikten, dieses Maß an Grausamkeit und Tragödie ist eben leider universell und das ist nicht nur für eine bestimmte historische Epoche wahr."

Fiktion und Realität

Das Schicksal schlägt schließlich zu, als einer der Freier Irinas im Bett einen Herzinfarkt erleidet. Um sie zu schützen, zerstückelt ihr Freund die Leiche und vergräbt sie im Park. In der Kurzgeschichte "Glück" steht diese Tat im Zentrum der Handlung.

"Ein Strafverteidiger steht, ähnlich wie ein Pfarrer, unter Schweigegebot", sagt Autor Ferdinand von Schirach: "Er darf also gar nichts aus dem Verhältnis zwischen ihm und dem Mandanten Dritten mitteilen, es sei denn, er hat die Erlaubnis dazu. Und deswegen sind die Geschichten nicht wahr in dem Sinne, dass sie eins zu eins die Realität widerspiegeln. Sie sind aber in ihrer Essenz wahr. Also das, was die Leute gefühlt haben, das stimmt immer, aber alles andere ist vollkommen anders."

Doris Dörrie behält diesen Plot zwar bei, konzentriert sich aber ganz auf die Liebe der zwei jungen Menschen. Wie im Buch so wird aber auch im Film die Geschichte der beiden von deren Strafverteidiger erzählt.

Doris Dörrie hat auf der gerade zu Ende gegangenen Berlinale das typische Gebaren bei Filmfestivals kritisiert. Der Großteil der dort gezeigten Filme würden von den Zuschauern nicht genossen, sondern durchlitten werden. Sie hingegen möchte ihr Publikum unterhalten. Mit ihrem neuen Film "Glück" ist ihr das auch gelungen.

Textfassung: Joseph Schimmer

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Glück