Ausstieg aus Atomkraft nicht in Sicht

Energiewende bitte warten

Die heftigste politische Reaktion auf den Atomunfall in Fukushima hat es außerhalb von Japan in Deutschland gegeben. Dort vollzog die Regierung im letzten Jahr eine radikale Kehrtwende von einer Verlängerung der Atomkraftnutzung hin zum beschleunigten Ausstieg. Von der Energiewende ist seither die Rede, aber den Reden sind noch nicht in ausreichendem Maß Taten gefolgt.

Mittagsjournal, 12.3.2012

Aus Berlin,

Merkels Rolle rückwärts

Als jemand, der aus der Geschichte gelernt hätte, präsentierte sich Angela Merkel im letzten Frühjahr dem einigermaßen verblüfften Volk. Vor eineinhalb Jahren hatte sie in einem Kraftakt durchgesetzt, dass die deutschen Atomkraftwerke noch länger laufen hätten sollen, ein halbes Jahr später, dann die komplette Rolle rückwärts, mit der Atomkraft in Deutschland soll es früher als geplant vorbei sein. Fukushima habe ihre Haltung zur Kernenergie verändert, so Merkel.

Um den abrupten Schwenk in ein Gesamtpaket einbetten zu könne, wurde sehr schnell der Begriff von der Energiewende ins Spiel gebracht. Der Ausstieg aus der Atomkraft, jetzt für das Jahr 2022 angepeilt, sollte begleitet werden vom forcierten Ausbau erneuerbarer Energien. Deutschland habe das Potential und die Kraft für eine neue Architektur seiner Energieversorgung, so Merkel.

Gemischte Bilanz nach einem Jahr

Heute, rund ein Jahr nach dem Anlassfall Fukushima, fällt die Bilanz der Energiewende ziemlich gemischt aus. Zwar ist es tatsächlich so, dass für die damals schnell stillgelegten sieben Atomkraftwerke mehr Ökostrom ins Spiel gekommen ist, die Nutzung von Windenergie, Sonne und Biomasse ist ungefähr in dem Maß gestiegen, in den die Atomkraftnutzung gesunken ist. Aber vor allem an den kalten Wintertagen, da hat die Sache ganz anders ausgesehen. Da mussten Kohlekraftwerke auf Hochtouren laufen, und als Notstromaggregat für Deutschland musste auch Österreich herhalten, wo alte Kraftwerke hochgefahren wurden, um Deutschland mit zu versorgen.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler bemühte sich, das Vorgehen als durchaus planmäßig zu interpretieren. Er habe nicht verstanden, warum kritisiert wurde, warum kurzfristig auf österreichische Energie zurückgegriffen werde – es sei Teil der Vorkehrungen im Sinne von Netzstabilität, so Rösler.

Ringen um Windenergie und Energiesparen

Die heißesten Eisen in der Energiefrage wurde noch immer nicht richtig angepackt: Um die Windenergie, die im Norden Deutschlands erzeugt wird, in den Süden zu bekommen, wie sie großen Stromverbraucher sitzen, wären mehr und bessere Stromleitungen nötig, doch die Proteste auch dagegen sind in vollem Gang. Und was das Energiesparen betrifft, da wird heftig gestritten, zum Beispiel über Zuschüsse zur Wärmedämmung.

Das Fazit der Energieexpertin Claudia Kemfert: man habe noch einen Marathon vor sich. Für den Marathon ist vor allem Ausdauer gefragt, und die ist vielleicht noch schwieriger aufzutreiben als die Energie an sich.