Fordert Überstellung nach Berlin

Timoschenko-Anwalt: "Ukraine längst Diktatur"

Der Gesundheitszustand der ehemaligen ukrainischen Premierministerin Julia Timoschenko ist auch nach der offiziellen Beendigung des Hungerstreiks besorgniserregend, sagt ihr Anwalt in einem Ö1-Exklusivinterview. Außerdem bezeichnet er Premierminister Viktor Janukowitsch als "Gangster".

Morgenjournal, 11.5.2012

Karin Koller berichtet aus Kiew

Polizei vor Krankenhaus

Das Zentralkrankenhaus der Eisenbahner in Charkiv liegt fast idyllisch mitten in einem kleinen Wäldchen, nicht weit vom Stadtzentrum entfernt. Im neunten Stock des Krankenhauses liegt die derzeit wohl bekannteste Patientin des Landes: Julia Timoschenko.

Polizisten patrouillieren vor dem Gebäude. Etwas versteckt auf einer kleinen Bank sitzen ein paar Frauen – erst auf den zweiten Blick sind sie als Unterstützerin Julia Timoschenkos zu erkennen. Sie tragen Armbänder mit Timoschenkos Namen, als sie das Mikrofon sehen, packen sie auch Bilder von Timoschenko aus.

"Wovor haben die Angst?"

Vorsichtig blicken sie um sich. Sie seien auch hier gewesen, als Julia Timoschenko eingeliefert wurde. Die Milizionäre hätten die Journalisten und sie verjagt, erzählt eine der Frauen. "In welchem Staat leben wir? Wir sind ja nur gekommen, um Julia ein paar Worte zuzurufen, zur Unterstützung, und sie haben uns verjagt. Wovor haben die Angst?"

Auf den Bänken daneben werden wir argwöhnisch beobachtet. Das ist ja alles reiner Zirkus, der da hier um die aufgeführt wird, sagt eine Frau, der das Mikrofon sichtlich unangenehm ist. Der Mann daneben murmelt: "Die gehört nicht ins Spital, Gefangene gehören ins Gefängnis." Seine Frau zerrt ihn weg.

Timoschenko soll nach Berlin

Timoschenkos Anwalt Sergej Vlasenko kommt aus dem Spital heraus und eilt zu seinem Auto. Er muss zum Flughafen, im Auto ist ein kurzes, exklusives Interview möglich. "Die ukrainische Regierung hat gerade die Verantwortung für Timoschenkos Gesundheitszustand auf die deutschen Ärzte abgeschoben. Was soll das?", fragt Vlasenko erbost.

Die Verantwortung für alles, was Timoschenko betrifft, würden die Machthaber in der Ukraine tragen, allen voran Präsident Viktor Janukowitsch. Sergej Vlassenko fordert einmal mehr die Überstellung Timoschenkos in die Berliner Charité.

"Ukraine längst Diktatur"

Er sei dankbar für den Druck, den die europäischen Politiker da machen, sagt Vlasenko. Aber es braucht mehr, als höflich diplomatische Kritik: "Leider haben viele europäische Politiker bis jetzt versucht, mit Janukowitsch europäisch zu sprechen. Doch das versteht Janukowitsch nicht. Er ist ein Gangster und man muss mit ihm wie mit einem Gangster reden."

Man müsse ihm und seiner Mannschaft den Geldhahn zudrehen, sagt Vlasenko. Das System Janukowitsch würde in Europa einfach noch immer vielfach verharmlost. Es gehe nicht mehr um Demokratiedefizite in der Ukraine, betont Timoschenkos Anwalt Sergej Vlasenko, die Ukraine sei leider schon längst zu einer Diktatur geworden.