Weitere Ermittlungen abgewiesen

Missbrauchsfall in Wels beendet

Schlusstrich in einem der aufsehenerregensten Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch in Österreich: Vor mehr als eineinhalb Jahren waren vier Grazer Pensionisten, unter ihnen ein Ex-Richter, in U-Haft genommen worden. Eine 16-Jährige hatte ihren Großeltern und zwei Nachbarn schweren sexuellen Missbrauch vorgeworfen. Jetzt steht fest, dass nicht weiter ermittelt wird.

Morgenjournal 25.5.2012

Falsche Vorwürfe und Justizirrtum?

Waren es also falsche Vorwürfe und ein Justizirrtum? Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen jedenfalls schon vor Monaten eingestellt und das Gericht sagt nun, die Staatsanwaltschaft habe ihren Ermessensspielraum nicht überschritten. Das angebliche Missbrauchsopfer lebt nicht mehr. Zu therapeutischen Zwecken ins künstliche Koma versetzt, starb das Mädchen mit 17 in Linz - möglicherweise an einer überhöhten Dosis Narkosemittel.

Eltern wollen nicht aufgeben

Seine Eltern glauben den Aussagen der Tochter nach wie vor und hatten bei Gericht die Fortsetzung der Ermittlungen gegen die Grazer Großeltern und zwei Nachbarn beantragt. Ein Drei-Richter-Senat hat diesen Antrag nun abgewiesen. In der 18-seitigen Gerichtsentscheidung, die Ö1 vorliegt, wird ein psychiatrisches Gerichtsgutachten als nachvollziehbar und fundiert bezeichnet. Dem Gutachten der Psychiaterin Adelheid Kastner zufolge könnte das angebliche Missbrauchsopfer an einer histrionischen bzw. hysterischen Persönlichkeitsstörung gelitten haben. Andererseits aber schreibt das Gericht, "von einer erfolgten Traumatisierung des Opfers könne unstrittig ausgegangen werden". Weiters stützen sich Gericht und Staatsanwaltschaft allerdings auf ein Obduktionsergebnis, wonach auch die gynäkologischen Befunde nicht auf sexuellen Missbrauch hindeuten.

Beschwerde bei internationalem Gericht

Einer der ursprünglich beschuldigten Nachbarn, ein pensionierter Grazer Richter, der vor eineinhalb Jahren fünf Wochen in Untersuchungshaft saß, sagt zur aktuellen Gerichtsentscheidung: Sie sei selbstverständlich und zu erwarten gewesen. Er sieht sich heute als Opfer der Justiz und fordert eine Haftentschädigung. Die Eltern des Mädchens hingegen wollen nun noch bei der UNO eine Beschwerde einbringen. Vor allem verstehen sie nicht, dass das Gericht es ablehnt, kinderpornografische Fotos, die in einem anderen Grazer Fall sichergestellt wurden, zu untersuchen - im Hinblick auf einen Zusammenhang zu ihrer Tochter. Noch nicht abgeschlossen sind übrigens die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Ärzte - nach dem Koma-Tod der 17-Jährigen in der Linzer Nervenklinik.

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