Syrische Flüchtlinge: Zuflucht im Libanon

Seit mehr als 17 Monaten tobt in Syrien ein blutiger Bürgerkrieg. Tausende Menschen sind seither getötet worden, mehr als eineinhalb Millionen Syrer sind auf der Flucht. Hilfsorganisationen aus der ganzen Welt nehmen teilweise schwer traumatisierte Flüchtlinge in Empfang. Auch das Österreichische Rote Kreuz hat seine Hilfe ausgeweitet.

Mittagsjournal, 11.8.2012

Enorme Herausforderung für das libanesische Gesundheitssystem

Seit Wochen würden die Menschen über die Grenzen von Syrien in den Libanon strömen, sagt Andrea Reisinger vom Österreichischen Roten Kreuz. Oft seien sie tagelang unterwegs gewesen, hätten nur ein paar Habseligkeiten dabei, seien müde, erschöpft und teilweise schwer verletzt. "Da gibt es Schusswunden, am Kopf, am Körper, an den Beinen. Es gibt aber auch sehr viele Brüche. Wenn Bomben Häuser zerstören und die Leute darunter begraben waren, kommen viele mit gebrochenen Beinen oder Armen im Libanon an. Diese Wunden müssen dann versorgt werden. Das internationale Rote Kreuz hat die Chirurgen und Krankenschwestern im Libanon trainiert, mit diesen Kriegswunden umzugehen, weil die Behandlung eine andere ist als bei normalen Wunden."

In vielen libanesischen Krankenhäusern sind bereits mehr als dreißig Prozent der Patienten syrische Flüchtlinge, eine enorme Herausforderung für das libanesische Gesundheitssystem, sagt Reisinger: "Die Versorgung der Flüchtlinge ist unterschiedlich gemanaged. Im Norden wird die medizinische Versorgung der verwundeten Flüchtlinge von der libanesischen Regierung übernommen, im Osten gab es vor wenigen Wochen eine neue Entscheidung, dass dort die Versorgung nicht mehr von der libanesischen Regierung übernommen wird. Dort greifen jetzt internationale Hilfsorganisationen, aber auch nationale Charitys ein, um diese Krankenhäuser zu unterstützen."

Flüchtlinge lassen sich aus Angst nicht registrieren

35.000 Flüchtlinge sind es laut offiziellen Angaben. Sie leben in Notlagern oder auch bei Verwandten oder Gastfamilien. Andrea Reisinger schätzt aber, dass es mindestens doppelt so viele seien: "Das Problem ist, dass sich sehr viele Flüchtlinge, die aus Syrien kommen, nicht registrieren lassen. Wir schätzen, dass ungefähr 60.000 Menschen aus Syrien in den Libanon geflohen sind. Die meisten von ihnen kommen illegal, wandern über den Fluss und haben einfach Angst, sich registrieren zu lassen, weil sie ihre Daten nicht an Syrien weitergegeben haben wollen. Sie haben Angst, dass dann ihre Familien in Syrien bedroht werden."

Das kann auch Marc Andre Hensel vom Internationalen Flüchtlingshilfswerk World Vision bestätigen. Die Angst der Syrer vor Strafen und Repressionen in ihrer Heimat sei allgegenwärtig: "Es wird berichtet und wir müssen wohl davon ausgehen, dass es die Tatsache ist, dass gerade im Norden des Landes die syrische Armee über die Grenze gekommen ist und nach Flüchtlingen gesucht hat. Man muss sich vorstellen, dass der syrische Staat diese ganzen Jahre ein Kontrollstaat gewesen ist und die Menschen sind es nach wie vor gewohnt, dass sie immer überwacht sind."

Die meisten wollen zurück

Viele der Flüchtlinge leiden daher unter Angstzuständen und schweren psychischen Problemen. Vor allem den Kindern setze das Erlebte oft schwer zu, sagt Hensel. Sie werden von World Vision psychologisch betreut. "Wir haben Kinder, die Schussverletzungen haben. Wir haben Kindern, die das Bombardement erlebt haben, in Damaskus oder Aleppo oder anderen Städten, die dort tagelang im Keller eingesperrt waren, ohne Wasser und Essen. Wir haben auch Kinder, die erlebt haben, wie andere Menschen umgebracht worden sind. Manche Kinder sind sehr verschlossen, in sich gekehrt, reden kaum. Andere reden wie ein Wasserfall. Da versucht man eben, mit den Kindern umzugehen und damit auch den Eltern zu helfen."

Doch die humanitäre Hilfe, sagt Hensel, könne nur begrenzt helfen. Die meisten wollen einfach so schnell wie möglich wieder in ihre Heimat zurück. Doch wann das möglich sein wird, dieser Zeitpunkt ist noch nicht absehbar.

Übersicht

  • Naher Osten