Albanien feiert 100 Jahre
Albanien begeht am 28. November den 100. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Gefeiert wird geschichtsträchtig. Österreich, das maßgeblich an der Gründung des albanischen Staates 1912 beteiligt war, stellt dem Land erstmals Schwert und Helm des Nationalhelden Skanderbeg aus dem Kunsthistorischen Museum zur Ausstellung zur Verfügung.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 22.11.2012
Feier mit Leihgaben aus Wien
In Albanien stehen große Tage bevor - die Feier des 100. Geburtstages der Staatsgründung. Die zentrale Feier wird in Tirana am 28. November, dem Tag der Ausrufung der Unabhängigkeit im Jahre 1912, stattfinden. Doch bereits heute steht in Tirana ein Höhepunkt bevor, denn zum ersten Mal werden in Albanien der Helm und die zwei Schwerter des Nationalhelden Skanderbeg zu sehen sein, der im 15. Jahrhundert gegen die Herrschaft der Osmanen kämpfte. Helm und Schwerter werden normalerweise in der Hofjag- und Rüstkammer in Wien aufbewahrt - sie haben für Albaner einen Reliquiencharakter, und daher ist die Freude in Albanien enorm groß.
Museum erwartet Ansturm
In Albanien sind alle Städte in den Nationalfarben Rot und Schwarz geschmückt. Rot-schwarze Girlanden zieren Stromleitungen, und am Hauptplatz von Tirana, dem Skanderbeg-Platz, hängt an einer Hotelwand eine riesige rote Fahne mit dem schwarzen albanischen Doppeladler. Am Hauptplatz liegt auch das Nationalmuseum, wo Skanderbegs Helm mit dem charakteristischen Ziegenkopf und zwei seiner Schwerter ab heute zum ersten Mal in Albanien sehen sein werden. So gut es eben geht hat sich das Museum vorbereitet, um den erwarteten Massenansturm zu kanalisieren. Dazu sagt der Sicherheitschef des Nationalmuseums Fredi Gusho:
„Wir werden sicherstellen, dass die Besucher nur eine kurze Zeit einem Blick auf Helm und Schwert werfen können, und dann müssen sie weitergehen. Die Massen werden sich nur für Skanderbeg interessieren, und daher wird es für uns nicht schwer sein. Denn das ist keine Touristensaison, wo man sich für andere Teile des Museums interessiert, die nun blockiert sein werden.“
Skanderbeg Nationalheld
Helm und Schwerter erwarb der Habsburger Ferdinand der Zweite von Tirol in Italien Ende des 16. Jahrhunderts, und damit mehr als 100 Jahre nach Skanderbegs Tod. Massive Zweifel bestehen unter nicht-albanischen Experten, ob die Schwerter überhaupt Skanderbeg zu zuschreiben sind. Dazu sagt der Professor für Südosteuropäische Geschichte an der Universität Wien und Autor einer Skanderbeg-Biographie Oliver Jens Schmitt: "Es handelt sich bei der Mehrheit dieser Objekte offensichtlich um Fälschungen, die den Habsburgern Ende des 16. Jahrhunderts verkauft wurden. Man kann annehmen, dass wahrscheinlich der obere Teil des Skanderbeg-Helms mit diesen Hörnern, dass der eher original ist. Diese Königskrone hätte Skanderbeg als Kreuzfahrer-König vom Papst verliehen bekommen sollen im Falle eines erfolgreichen Kreuzzuges 1464."
Doch der Kreuzzug kam nicht zustande, und 1468 starb Skanderbeg. Einwände zur Echtheit werden in Albanien entweder ignoriert oder zurückgewiesen, zu überragend ist der Nationalheld Skanderbegs. Seine Bedeutung für Einigung der religiös gespaltenen Albaner im 19. Jahrhundert erläutert der Historiker Dritan Ergo: Trotz der Islamisierung wurde Skanderbeg als eine wichtige Figur der Nation akzeptiert, der den Prozess der Staatenbildung bei den Albanern vorantreiben sollte. So sehen wir, dass Skanderbeg eine Zentralfigur ist seit dem Jahre 1879, und zwar auch durch das Traktat mit dem Titel "Die Wahrheit über Albanien und die Albaner“, und das ist das erste Programm des albanischen Nationalismus.“
Staatsübergreifende Bedeutung
Diese zentrale Rolle spielt Skanderbeg noch heute, in einer Zeit, in der Albaner nicht nur in Albanien, sondern auch im Kosovo, in Mazedonien und in anderen Staaten des Balkan leben. Skanderbegs Bedeutung beschreibt Oliver Jens Schmitt so: "Er spielt eine überragende Rolle; er ist die einzige Symbolfigur für alle Albaner; deswegen wurden ja auch in Prishtina und in Skope große Skanderbeg-Statuen aufgerichtet in den letzten Jahren, das ist wirklich auch ein Zeichen der Markierung albanischen Territoriums; und auch in Albanien selbst wird er dauernd in der Politik verwendet. Also gerade Ministerpräsident Berisha ruft ihn sehr gerne an, und im letzten Wahlkampf hat er gesagt, er werde seinen Gegner erledigen, wie Skanderbeg seine Feinde besiegt habe."
Dieser totale Sieg blieb dem konservativen Berisha verwehrt; und die tiefen politischen Gräben zwischen Konservativen und Sozialisten belasten nach wie vor den Prozess der EU-Annäherung. Doch im Moment dominieren die Feiern zur Staatsgründung und Skanderbegs Helm und Schwerter, die bis Mitte Jänner im Nationalmuseum zu sehen sein werden.