Schüller: "Ich fühle, dass Bewegung bevorsteht!"

Er ist wohl der bekannteste Priester der römisch-katholischen Kirche in Österreich: Helmut Schüller. Als Caritas-Präsident hat er sich für die sozial Schwachen stark gemacht. Seit eineinhalb Jahren tritt er vor allem als Gründer und Sprecher der Pfarrer-Initiative in Erscheinung. Heute – am Heiligen Abend – feiert er seinen 60. Geburtstag.

Mittagsjournal, 24.12.2012

Pfarrer Helmut Schüller, Sprecher der Pfarrer-Initiative, ist im Journal zu Gast bei

Weihnachten mehr als ein feierliches Event

Für Pfarrer Helmut Schüller soll uns das Weihnachtsevangelium nach Lukas dazu bringen, auf die Dinge zu blicken, die uns an uns und unserer Gesellschaft nicht gefallen. Immerhin waren ja die Umstände von der Geburt Jesu sehr schwierig. Schüller schließt daraus: "Man muss aufpassen, dass man das Weihnachtsfest nicht nur zu einem gelingenden, heimeligen, feierlichen Event macht. Der Blick auf die Krippe soll uns die Augen öffnen für die vielen Situationen, zum Beispiel der Menschen, die aus fernen Ländern zu uns kommen um Schutz und Sicherheit zu suchen oder einfach auch Zukunftsperspektive für sich und ihre Kinder. Diese Menschen sind nach wie vor in unseren reichen, wohlhabenden Ländern überwiegend nicht willkommen. Es spitzen sich immer wieder Konflikte um ihre Einquartierungen und die Erlaubnis, da bleiben zu dürfen, zu. Das hat sich seit meiner Caritas-Zeit nicht geändert."

Noch nah genug am Menschen?

Schon 1989 hat Schüller als Caritas-Präsident in der ORF-Pressestunde die Situation der Kirche als "Schlamassel" bezeichnet. Gefragt, ob die Pfarrer-Initiative nicht gerade die internen Probleme der Kirche in den Vordergrund rücke, kontert Schüller: "Das sind keine internen Probleme, das sind Themen, die die Kirche bei ihrem Wirken beschäftigen. Zum Beispiel ist das Thema zur Zukunft der Gemeinden kein internes Thema: Es ist eine Frage, ob es Gemeinden in ausreichender Nähe zu den Menschen geben wird oder nicht. Werden wir noch nah genug sein, um mit ihnen die Fragen des Lebens anzugehen? Es stellt sich auch die Frage nach denen, die in zweiter Ehe leben. Das ist kein Nebenthema, es greift tief in die Biografie der Menschen ein. Obendrein ist zu fragen, ob sich die Eucharistie als Instrument der Disziplinierung eignet. Ich bin immer in der Kirche ein Anwalt dafür gewesen, dass man das, was sich vor dem Kirchentor abspielt, ganz entscheidend in den Blick nimmt."

"Kirche hat sich zu lang Zeit gelassen"

Hätte die Kirche nicht seit dem "Fall Groer" gewarnt sein müssen, dass sich Dinge abspielen, die man so sicher nicht hinnehmen kann? Im Auftrag des damaligen Erzbischofs Schönborn habe Schüller, wie er erzählt, eine Ombudsstelle aufgebaut. Schüller erinnert sich: "Wir mussten alle in Blitzesschnelle nachlernen, die Grundbegriffe gewissermaßen. Dann wurde der Schwerpunkt auf die Einrichtung dieser Stellen gelegt und auf den möglichst angemessenen Umgang mit dem, was nun einmal vorgefallen ist. Sehr zögerlich hat man sich entschlossen zu sehen, dass es um systemische Fragen geht. Mit diesen Dingen hat man sich sicher zu lang Zeit gelassen."

Zeit für alte Forderungen reif?

Mit 60 Jahren ist Schüller nun Kirchenrebell – sollten das nicht eigentlich jüngere machen?
"Das ist richtig, wir sind überwiegend betagte Gestalten", räumt Schüller ein. "Vielleicht hat das den Vorteil, dass man die Dinge mit mehr Erfahrung sagt. Sonst würde man sagen "Die verstehen ja nichts vom Leben und von der Seelsorge". Das kann man uns wirklich nicht vorwerfen", sagt Schüller.

Die Forderungen sind nicht neu: Aufhebung des Zölibats, Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion, dass Frauen mehr können dürfen sollen. Seit Jahrzehnten ist in diesen Bereichen nichts passiert... Schüller verweist auf das Zweite Vatikanische Konzil, das alle überrascht habe. Schüller erzählt: "Damals hat niemand gedacht, dass so etwas kommt. Dass das ausgerechnet von einem Papst ausgeht, war überhaupt der Hammer schlechthin. Das war die jahrzehntelange zähe Arbeit gegen den Strom zu schwimmen einer Unzahl von Theologen, von Seelsorgern, von Katholikinnen und Katholiken, die viele Entscheidungen des Zweiten Vatikanums vorbereitet haben. Wir würden nicht von Ökumene reden, wenn es nicht zunächst verbotene Gebetskreise zur Einheit der Christen gegeben hätte. Andererseits glaube ich, dass Systeme, die von ihrer Zentrale so stark blockieren, oft auch schnell die Übersicht über die Realität verlieren. Das bringt dann oft überraschend Bewegung in Gang. Ich habe es ganz fest im Gefühl, dass Bewegung bevorsteht."