Hunderte Obdachlose in Bahnhöfen
Die Vertreibung von Obdachlosen aus dem Wiener Stadtpark hat vor einem Monat für große politische und mediale Aufregung gesorgt. Vergleichbare Szenen spielen sich jede Nacht auch auf österreichischen Bahnhöfen ab.
27. April 2017, 15:40
Alleine in Wien versuchen laut den ÖBB täglich 50 bis 100 Obdachlose und Arbeitssuchende aus Osteuropa in Zugwaggons zu übernachten, zum Teil wohl auch, weil die meisten Obdachlosenquartiere überfüllt sind. Die Bahn setzt jetzt Security-Mitarbeiter ein, um Schlafende zu vertreiben.
Armut mitten in Wien
Wien Westbahnhof kurz vor Mitternacht. Ein junger Ungar durchsucht Speisereste auf einem Tablettwagen, findet auf einem Tablett ein kleines Stück Hühnerschnitzel, das jemand nicht aufgegessen hat. Er nimmt es und isst hastig. Hunger und bittere Armut mitten in Wien. Später wird sich der junge Mann ein Zugabteil zum Schlafen suchen - so wie Nicólas, ein recht gut gekleideter Rumäne, der erzählt: "Dieses Jahr war desaströs. Bei uns daheim gibts keine Arbeit und hier ist die große Krise auch angekommen. In den letzten Jahren hat´s in Wien noch Schwarzarbeit gegeben, jetzt gibt´s fast keine mehr. Ich arbeite wenig und kann mir keine Miete leisten."
Auch die 42-jährige Georgeta aus Bukarest erklärt mir: "Ich schlafen Waggon" Denn sie hat praktisch keine Arbeit: "Nur bei der Caritas als Tagelöhnerin verdiene ich rund 100 Euro alle zwei bis drei Monate, sagt die Rumänin. Und unsere Kinder rufen an von zu Hause und bitten um Geld aber wir können ihnen keines schicken."
Marin, ein Ingenieur aus der Gegend von Temesvar ist erfolgreicher: "Manchmal finde ich Arbeit am Bau als Maurer - am Wiener Arbeitsstrich bei der Stadtausfahrt." Er verdiene so zwischen 200 Euro im Monat und 800 Euro. Das ist drei bis viermal so viel wie ein Monatseinkommen in Rumänien. "Ich schicke Geld nach Hause für die Familie und für mich brauch ich natürlich auch etwas. Aber ein Zimmer mieten, geht sich nicht aus. Hotel nix Zug Hotel ÖBB."
ÖBB schickt Securities
Aber Durchschlafen gibt es nicht, im Hotel ÖBB. Aus Angst vor Vandalismus, Zigarettenrauch und üblen Gerüchen schicken die ÖBB Security-Trupps. Die sprechen von 30 bis 40 Schlafenden am Westbahnhof, die sie pro Nacht aus den Waggons holen. Darunter auch junge Österreicher. Zwei treffe ich in einem Abteil - als kurz vor halb zwei in der Früh die Security-Mitarbeiter kommen: "Ihr müsst raus aus dem Waggon", sagen die Security-Männer. Alles Bitten hilft nichts.
Die Security-Mitarbeiter sind selbst junge Migranten. Es scheint ihnen unangenehm zu sein, Obdachlose hinauswerfen zu müssen. Sie wissen auch, dass einige wieder kommen und sich in andere Waggons legen werden.
Aber es kommt auch zu Gewalt. Als die jungen Österreicher das Abteil ohne Gegenwehr verlassen, sagt einer ein ordinäres Wort auf russisch - mehr nicht. Aber ein Security Mann schlägt zu, tritt dem Wohnungslosen in die Kniekehle und bringt ihn zu Fall. Gewehrt hat sich der junge Mann nicht. Er weiß, er kann nur verlieren.
So wie eine Frau, die nach einer Nacht mit wenig Schlaf auf einer Bank im Westbahnhof-Gebäude sitzt. Sie hat die Augen geschlossen und so kommt ein ÖBB-Security-Mitarbeiter: "Schlafen ist verboten", sagt er - auch unter Tags, auch im Bahnhofsgebäude.