Kritik an OGH-Entscheid zu Strasser

Seit der Oberste Gerichtshof (OGH) vor einer Woche die Verurteilung von Ex-Innenminister Ernst Strasser aufgehoben hat, wird die Kritik an dieser OGH-Entscheidung zunehmend schärfer. Denn einige Strafrechtsexperten können nicht verstehen, warum der OGH das Urteil aufgehoben hat. Manche orten eine allzu formalistische oder pingelige Argumentation der Höchstrichter.

Morgenjournal, 4.12.2013

"Ganz grenzwertig"

Die Meinungen in der Justiz scheinen auseinander zu gehen, zwischen Lob und enormer Empörung über den Obersten Gerichtshof. Ein Oberstaatsanwalt bezeichnet den OGH-Präsidenten sogar als pingeligen Rechthaber, schreibt der "Falter", wobei dieser Oberstaatsanwalt ebenso wenig namentlich genannt werden will wie ein hoher Ministerialbeamter. Der spricht von "Zerreden und Zerquatschen" der klarsten Sachverhalte durch den OGH. Nur der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer geht aus der Deckung. Er hat das dem "Falter" zugespielte ursprüngliche Urteil gelesen und findet, die Aufhebung durch den OGH sei ein Grenzfall: "Es ist wirklich ganz grenzwertig und ich könnte mir vorstellen, dass ein anderer Senat des Obersten Gerichtshofs vielleicht zum Ergebnis gekommen wäre, das Gericht hat der Sache nach doch sämtliche notwendigen Feststellungen getroffen." Sprich ein anderer Senat als der unter dem OGH-Präsidenten Eckhart Ratz hätte das Urteil womöglich nicht aufgehoben.

Worum geht´s im Detail: Der OGH hat vor allem kritisiert, dass im ursprünglichen Urteil die 100.000 Euro-Forderung des damaligen EU-Abgeordneten Ernst Strasser gegenüber vermeintlichen Lobbyisten nicht zu einem bestimmten Amtsgeschäft in Bezug gestellt worden sei. Aber ohne Bestechlichkeit für ein bestimmtes Amtsgeschäft wäre keine Verurteilung möglich.

"Formalistische Sichtweise"

OGH-Kritiker sagen nun, in der ursprünglichen Urteilsbegründung des Landesgerichts heiße es: "Der Angeklagte handelte mit dem Willen, ... als EU- Abgeordneter ... 100.000 Euro für die Einflussnahme auf die Gesetzgebung des EU-Parlaments zu fordern." Und dann der nächste Satz auf Seite 71 des Urteils: "Auch war für Strasser bei seinen Interventionsversuchen im Rahmen des Gesetzwerdungsvorgangs der Elektroschrott- und Anlegerschutzrichtlinie alleine der in Aussicht gestellte Geldbetrag ausschlaggebend." Strafrechtler Schwaighofer spricht gegenüber Ö1 von einer unter Eckart Ratz typisch formalistischen Sichtweise des OGH: "Wenn man diese beiden Sätze zusammen liest, könnte man wahrscheinlich auch sagen, es ist alles festgestellt worden, was es für eine Verurteilung braucht. Wenn man ganz akribisch und streng wie der Oberste Gerichtshof ist, dass man diese Sätze getrennt beurteilt, dann hat er recht. Dann ist eben nicht genau festgestellt worden, dass Strasser für die Beeinflussung dieser beiden Richtlinien dieses Geld gefordert hat."

Vom OGH heißt es gegenüber Ö1: Ein Urteil müsse im Urteilsspruch auf den Punkt gebracht werden. Eine zufällige Formulierung reiche nicht. Im konkreten Fall sei dem Richter offenbar gar nicht bewusst gewesen, dass es darauf ankommt, ob Ernst Strasser Geld für ein bestimmtes Amtsgeschäft gefordert hat. Das soll jetzt im zweiten Prozess geklärt und neu formuliert werden.