Brasilien: Unruhen vor Fußball-WM

Knapp einen Monat vor Beginn der Fußball-WM in Brasilien wird das Land von einer Welle von Protesten und Streiks überzogen. Tausende Menschen demonstrierten diese Woche in verschiedenen WM-Austragungsstädten gegen die hohen Kosten der Fußball WM. In Sao Paulo, wo am 13. Juni das Eröffnungsspiel stattfinden wird, kam es zu Straßenschlachten zwischen Polizei und gewaltbereiten Demonstranten.

Morgenjournal, 17.5.2014

Aus Brasilien berichtet

Protest gegen Wohnungsnot

Im Zentrum von Sao Paulo schlagen vermummte Demonstranten Schaufenster ein und zerstören Bankomaten. Sie werfen Steine auf die Militärpolizei, die antwortet mit Gummigeschoßen und Tränengas. Mehrere Menschen werden verletzt und acht festgenommen. Bereits am Vormittag hatten etwa 2.000 Aktivisten der Obdachlosenbewegung "Sem Tetos" eine Hauptverkehrsader der Stadt abgesperrt und friedlich gegen die Wohnungsnot demonstriert. Man brauche Wohnungen, statt Stadien. Wegen der Fußball-WM seien die Mietpreise ins Unermessliche gestiegen, kritisieren die Demonstranten. Anfang Mai besetzten etwa 2.500 wohnungslose Familien ein Grundstück in der Nähe des Fußball-Stadions Arena Corinthians in Sao Paulo.

In Rio de Janeiro demonstrierten etwa 1.300 Menschen friedlich gegen die Fußball-WM und forderten auf ihren Transparenten Schulen und Krankenhäuser mit FIFA-Standard. Etwa 8,7 Milliarden Euro kostet die Fußball WM. 84 Prozent davon sind öffentliche Gelder.

In der Hauptstadt Brasilia trugen Demonstranten Kreuze - darauf standen die Namen jener acht Arbeiter, die während der Stadion-Bauarbeiten tödlich verunglückt sind. Immer wieder wurde Kritik an den brasilianischen Sicherheitsstandards laut. Das Fußball-Stadion der Hauptstadt Brasilia ist mit umgerechnet 458 Millionen Euro das teuerste aller brasilianischen WM-Stadien - und das, obwohl die Stadt gar keine Erst-Liga-Mannschaft hat.

WM als Druckmittel

In der nordostbrasilianischen Stadt Recife - ebenfalls Austragungsort - war diese Woche die Militärpolizei für drei Tage in Streik getreten. Menschen begannen daraufhin, Geschäfte zu plündern. Die Zahl der Überfälle stieg, viele Bewohner blieben aus Angst zuhause. Die Szenen erinnerten an den Polizeistreik in Salvador vor einem Monat. Damals waren innerhalb von zwei Tagen 39 Menschen ermordet worden.

Die Regierung betont: Die Demonstrationen seien gar nicht gegen die WM gerichtet, sondern gegen bestehende Probleme in Brasilien. So auch Sportminister Aldo Rebelo gegenüber der Presse. Tatsächlich nutzen gerade zahlreiche Berufsgruppen die Gunst der Stunde, um ihren Forderung durch Streiks Nachdruck zu verleihen: Lehrer, Beamte im öffentlichen Dienst, Wachleute der Banken. Auch in einigen brasilianischen Konsulaten im Ausland - also dort, wo Visa für WM-Touristen ausgestellt werden, wurde vor kurzem gestreikt. In Rio de Janeiro legte ein Streik der Busfahrer zwei Tage lang die Stadt beinahe lahm. Die Botschaft lautet: "Wenn ihr uns nicht anständig bezahlt, wird das große Fußballspektakel im Chaos enden."